Job gesucht - Aufgabe gefunden

Die können was: Regine Ram verhilft Menschen mit Behinderung zu einem festen Job - und zerstreut bei Arbeitgebern so manches Vorurteil.


07.10.2016 - Matthias Thiele -5 MinutenMitarbeiter finden

Die können was: Regine Ram verhilft Menschen mit Behinderung zu einem festen Job - und zerstreut bei Arbeitgebern so manches Vorurteil.

Vorbehalte, Unsicherheit, manchmal schlicht mangelndes Wissen: Viele Unternehmen können sich nicht vorstellen, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. „Dabei lässt eine Behinderung keinerlei Rückschluss auf die Arbeitsleistung eines Menschen zu, zumal man vielen die Behinderung nicht anmerkt“, sagt Regina Ram, die seit 2010 arbeitgeberorientiert im Reha-Team der Agentur in Weiden arbeitet und sich dabei eng mit dem Arbeitgeberservice vor Ort abspricht.

Ihr Ziel ist es, Arbeitgeber für die Einstellung und Beschäftigung von behinderten Menschen zu gewinnen. „Meine Erfahrung ist, dass es nahezu jedem Unternehmen möglich ist, ihre Arbeitsplätze mit behinderten Menschen zu besetzen und damit die zu zahlende passive Ausgleichsabgabe in aktive Arbeitsleistung umzuwandeln, wenn man es nur will“, sagt sie. Letztlich sei für die Arbeit die Qualifikation wichtig: „Und menschlich muss es natürlich stimmen.“

Regina Ram: Reha-Spezialistin beim Arbeitgeber-Service

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© Felix Röser

„Ich arbeite seit sechs Jahren als Reha-Spezialistin im Arbeitgeber-Service für das Reha-Team in Weiden. Unser Ansatz ist es, Arbeitgebern, die behinderte Menschen einstellen wollen, Unterstützung und Beratung umfänglich anzubieten. Wir arbeiten nach dem Konzept „Hilfen aus einer Hand“. Unsere Dienstleistung für den Arbeitgeber umfasst neben der Beratung der Unternehmen zum Schwerbehindertenrecht (besonderer Kündigungsschutz, Beschäftigungspflicht, Ausgleichsabgabe, Gleichstellung und Mehrfachanrechnung) natürlich die Vermittlung geeigneter behinderter Bewerber für einen angebotenen Arbeitsplatz. Wir koordinieren dann hinter den Kulissen für den Arbeitgeber alle Fördermöglichkeiten auch anderer Akteure, die bei der Integration behinderter Menschen beteiligt sind (Reha-Träger, Integrationsamt etc.). Wir besprechen konkrete Maßnahmen, die vor Arbeitsaufnahme nötig sind: Umbauten des Arbeitsplatzes, Beförderungsdienst, Arbeitsassistenz und vieles mehr. Der finanzielle Anreiz ist für Arbeitgeber aber niemals die einzige Motivation, Mitarbeiter mit Handicap zu beschäftigen. Wichtig sind die individuellen Fähigkeiten und Stärken des Einzelnen – richtig eingesetzt, eine Bereicherung für jedes Unternehmen.

Ram geht auf Betriebe zu, redet offen über Vorbehalte: „So ist es eine Mär, dass Schwerbehinderte nach der Probezeit kaum mehr kündbar sind“, sagt sie. „Das Integrationsamt stimmt über 80 Prozent der Anträge auf Kündigung zu.“

Ram geht auf Betriebe zu, redet offen über Vorbehalte: „So ist es eine Mär, dass Schwerbehinderte nach der Probezeit kaum mehr kündbar sind“, sagt sie. „Das Integrationsamt stimmt über 80 Prozent der Anträge auf Kündigung zu.“

Für einstellende Betriebe gibt es für die Arbeitgeber viele Fördermöglichkeiten, teils aber von unterschiedlichen Trägern, für Laien kaum durchschaubar. „Für mich ist es deshalb eine selbstverständliche Dienstleistung, zu allen Förderungen umfänglich Unterstützung und Beratung zu leisten, etwa mich mit anderen Kostenträgern abzusprechen, damit dem Arbeitgeber es möglichst einfach gemacht wird.“ Sie möchte dem Betrieb, der einen Menschen mit Behinderung einstellen will, eine möglichst unbürokratische Dienstleistung anbieten: alle Hilfen aus einer Hand: „Nur so kann die Integration behinderter Menschen gelingen.“

Deborah Bregler: Mitarbeiterin in der Bücherei Kemnath

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© Felix Röser

„Seit September 2015 hilft mir der Integrationsfachdienst ifd Oberpfalz dabei, eine Stelle am Arbeitsmarkt zu bekommen. Durch Zufall kam ich zu meinem jetzigen Praktikumsbetrieb: Mein Onkel hatte zusammen mit meiner Mutter einen Kochkurs im „Familienzentrum Mittendrin“ der Stadt Kemnath gebucht, war dann aber verhindert. So lernte ich die Sozialpädagogin Jessika Wöhrl-Neuber kennen, mit der ich mich auf Anhieb gut verstand. Wir kamen ins Gespräch und sie bot mir einen Praktikumsplatz im Familienzentrum sowie in der Stadtbücherei Kemnath an. Beim Abschlussgespräch dann die große Überraschung: Der Bürgermeister bot mir eine Stelle an, unbefristet – ich konnte mein Glück kaum fassen. Mit Frau Ram und dem Technischen Dienst der Arbeitsagentur wurde dann geschaut, wie mein Arbeitsplatz so ausgestattet werden kann, dass ich trotz meiner Behinderung barrierefrei arbeiten kann. Ich fühle mich hier sehr wohl und anerkannt und bin sehr froh darüber, dass die Arbeitsagentur mich so individuell und kompetent beraten und unterstützt hat. Es ist schön, das Gefühl zu haben, nützlich zu sein und im Beruf Anerkennung zu finden – egal, ob man eine Behinderung hat oder nicht.“

Ram hat sich hierzu ein großes Netzwerk aufgebaut, kennt die Akteure: regionale Wirtschaft, lokale Betriebe, Integrationsamt, Integrationsfachdienste, Bildungsträger. „Das Wichtigste ist und bleibt aber das persönliche Gespräch mit Arbeitgebern und Betroffenen“, sagt sie.

Ein Beispiel gelungener Integration verdeutlicht das: Deborah Bregler absolviert seit dem Frühjahr ein Praktikum im Rahmen einer Maßnahme der „Unterstützten Beschäftigung“. Und zwar im „Familienzentrum Mittendrin“ in der Stadt Kemnath, einem Treffpunkt für Familien aller Generationen. Die 21-Jährige ist seh- und stark gehbehindert. Sie hilft bei Koch- und Sprachkursen, in der Kleiderkammer und beim Ferienprogramm. Außerdem arbeitet sie in der Städtischen Bibliothek.

Das Familienzentrum befindet sich in einem historischen Gebäude. Die steilen Treppen sind für die junge Frau ein Hindernis. Um weitgehend Barrierefreiheit zu erreichen, wurden der Stadt vom Technischen Berater der Arbeitsagentur die erforderlichen Arbeitsplatzausstattungen und Umbauten erläutert und die Übernahme der Kosten zugesichert. Gleichzeitig wurden Zuschüsse zum Arbeitsentgelt angeboten und Kontakt mit dem Integrationsamt Oberpfalz wegen zusätzlicher Förderungen vereinbart.

Der Bürgermeister der Stadt Kemnath war von der angebotenen Unterstützung angetan, aber vor allem von der guten Arbeitsleistung Frau Breglers überzeugt. So sicherte er ihr eine unbefristete Einstellung zu, die seit dem 1. Oktober gilt. Für Deborah Bregler ein wunderbarer Einstieg in das Berufsleben – trotz ihrer vielfachen Einschränkungen.

„Ein gutes Beispiel, dass behinderte Menschen – richtig eingesetzt, eine Bereicherung für jedes Unternehmen sind“, findet Regina Ram.


Titelfoto: © Felix Röser