Konflikte sind Kommunikationspannen

Die ehemalige Chefsekretärin und heutige Bestsellerautorin und Coach Katharina Münk über die Schwierigkeiten von Führungskräften, mit Konflikten umzugehen.


20.09.2017 - Esther Werderinghaus -4 MinutenRichtig führen

Katharina Münk war 25 Jahre lang Chefsekretärin im Topmanagement. Heute ist sie Bestsellerautorin, Personal Coach und Trainerin für Fach- und Führungskräfte. Aus eigener Erfahrung weiß sie, wie wichtig es ist, Konflikten Raum zu geben – und als Unternehmer Kritik zuzulassen.

Faktor A: Wie kommt es eigentlich immer wieder zu Konflikten zwischen Angestellten und ihren Chefs?

Katharina Münk: Konflikte sind in den allermeisten Fällen Kommunikationspannen. Worte werden nicht oder falsch bemüht oder falsch interpretiert. Angestellte und Chefs haben unterschiedliche Rollen und Erwartungshaltungen, die man gut kommunizieren muss. Wenn man Worte aus vermeintlichem Zeitmangel stichwortartig per E-Mail verschickt oder gleich ganz schweigt, dann erachtet man in Wahrheit irgendetwas anderes für wichtiger, oder es fehlt schlicht an Mut.

Manchmal nimmt das recht erstaunliche Züge an. Ein Beispiel: Ein Chef berichtete mir von einem Konflikt mit seiner Assistentin: „Es nervt mich morgens ungemein, wenn ich noch nicht mal den Mantel ausgezogen habe und sie mich bereits mit irgendwelchen Dingen überfällt. Sie will sofort wissen, was sie Müller sagen soll. Und ich steh’ noch im Mantel! Da vergeht mir gleich die Lust. Ich brauche morgens erst einmal fünf Minuten Ruhe.“ Meine Frage darauf: „Haben Sie ihr das schon einmal gesagt?“ Seine Antwort: „Nein.“ Meine zweite Frage: „Wie lange arbeiten Sie schon zusammen?“ Seine Antwort: „18 Jahre.“

Sehr wahrscheinlich wird dieser Vorgesetzte irgendwann mürrisch geguckt haben, wenn seine Assistentin wieder in der Tür stand. Und sie dachte sich: „Der mag mich nicht“ oder „Der sieht einfach nicht die Dringlichkeit von XY“ – eine fatale Vorannahme. Vielleicht gab sie sich dann erst recht Mühe und erreichte bei ihm genau dadurch das Gegenteil. Und beide schüttelten den Kopf und schwelgten in ihren „negativen Lieblingsgefühlen“: „Typisch, hätte ich mir ja denken können“ etc.

Die meisten Konflikte sind keine Beziehungs-, sondern Wertekonflikte, weil man bestimmten Dingen je nach Rolle und Position in der Hierarchie eine andere Relevanz einräumt oder sie anders interpretiert als der oder die andere. Aus Mangel an Mut und Zuversicht werden Dinge „totgeschwiegen“, gerade von unten nach oben in der Firma.

Wie merkt eine Führungskraft, dass sich gerade Spannungen im Unternehmen aufbauen? Muss sie ständig auf der Hut sein, dass es bloß keinen Streit gibt?

Auch in Zeiten flacher Hierarchien und jüngerer Führungskräfte mit Teamkompetenz ist es nahezu unmöglich, als Chef alles mitzukriegen und sich um alles zu kümmern. Die Systeme werden geschlossener, je höher man kommt. Beim Chef reißen sich die Mitarbeiter ja zusammen. Die Erwartungshaltungen sind zugleich enorm: Die Chefs der Chefs oder die Gesellschafter erwarten große Erfolge, die Analysten gute Zahlen, die Mitarbeiter eine Galionsfigur, die Konkurrenten suchen nach Fehlern, und die Assistentin fragt sich: Hat der denn auch eine Ahnung, wie ich funktioniere?

Zitat:

"Eine Führungskraft braucht gute und ehrliche Mitarbeiter, die ungefiltert Kritik vorbringen können."

Spannungen im Unternehmen machen sich fest an zu viel Absicherung, mangelnder Entscheidungsfreude und weitergegebenem Druck auf jeweils untere Hierarchiestufen. Worauf es für die Führungskraft ankommt: gute und ehrliche Mitarbeiter mit Korrektivfunktion in unmittelbarer Umgebung zu haben, die ungefiltert Kritik und Verbesserungsvorschläge vorbringen dürfen. Chefs brauchen auch fähige Personaler, die nicht methodisch ausgefeilte 360-Grad-Umfragen vom Schreibtisch aus auflegen, sondern vor Ort selbst das Gespräch mit den Mitarbeitern suchen und darüber die Führungskräfte regelmäßig updaten.

Ist Zoff im Büro auch mal ganz heilsam?

Ja, Wut muss sich Luft verschaffen, sonst geht sie in den Keller und stemmt Gewichte. Sie darf auch herausgebrüllt werden, wenn es sein muss. Worauf es ankommt: Wenn die Emotionalität verpufft ist und sich der Verstand nach vorne boxt, sollte man am nächsten Tag das Fass professionell auch wieder schließen. Ein Gespräch darüber, wie es einem selbst ging, wie es dem anderen ging und worum es übergeordnet thematisch überhaupt ging, sollte sein.

Ein Chef hat sich nach einem Tobsuchtsanfall am nächsten Tag formvollendet dafür bei mir entschuldigt. Das reichte bereits völlig. Dieses simple Wörtchen kommt Chefs wie Mitarbeitern immer noch viel zu selten über die Lippen. Fazit: Ärger ist keine Energieverschwendung, sofern er als Turbo für bessere Dinge genutzt wird.

Zitat:

"Entschuldigung. Dieses simple Wörtchen kommt Chefs wie Mitarbeitern zu selten über die Lippen."

Reicht es, Firmenfrühstücke und Betriebsausflüge zu organisieren, damit sich Konflikte erst gar nicht entwickeln?

Per se ist gegen Obst am Empfang, den Kicker-Tisch in der Team Lounge oder gar einen angestellten Feelgood-Manager nichts einzuwenden. Doch wenn Menschen nicht miteinander können, Abläufe und Prozesse nicht stimmen und an diesen wichtigen Stellschrauben nicht gedreht wird, dann ist ein Firmenfrühstück wie ein Kissen, das Sie auf einen kaputten Stuhl legen. Vor lauter Herumgeschwimme in der Wohlfühlumgebung und im unverbindlichen Freiraum kann man als Mitarbeiter auch schnell das Gleichgewicht verlieren.

Führung und eine klare Ansage mit Begründung sollten nie aus der Mode kommen: „Ich brauche die Unterlagen bis morgen, weil ich die als Grundlage für meine eigene Vorbereitung brauche.“ Wenn mein Chef Leistung und Führung vorlebt, frühstücke ich auch gern zu Hause statt in der Firma.


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