Am eigenen Schopf

Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter motivieren. Wer aber motiviert Führungskräfte, wenn es mal nicht so gut läuft?


20.05.2015 - Redaktion Faktor-A -6 MinutenRichtig führen

Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter motivieren. Wer aber motiviert Führungskräfte, wenn es mal nicht so gut läuft?

Wie konnte es nur dazu kommen? Die Umsätze haben einen Tiefpunkt erreicht, Mitarbeiter sitzen unmotiviert vor ihren PCs – nun müsste man als Führungskraft von Visionen sprechen, den Blick nach vorn wenden, einer positiven Zukunft entgegen. Doch es ist, als wäre man selbst wie gelähmt. Stillstand. Resignation. Antriebslosigkeit.

Welcher Unternehmer kennt es nicht, das Gefühl, plötzlich von der Überholspur auf den Standstreifen gekommen zu sein? Wer kennt nicht die schlaflosen Nächte, die in Krisenzeiten folgen? Jedem Unternehmer sind Phasen bekannt, in denen es schwerfällt, sich selbst zu motivieren. In einer Leistungsgesellschaft, in der man meist an Erfolgen gemessen und für Niederlagen verurteilt wird, ist es auch für Führungskräfte nicht leicht, das Scheitern zu lernen.

Doch sie müssen nicht unfehlbar sein. Auch Chefs dürfen Angst haben, wütend oder enttäuscht sein – wenn diese Gefühle sie nicht dauerhaft lähmen oder blockieren. Wichtig ist, zu verstehen, woher sie kommen, damit sich etwas ändert. Es gibt kein Patentrezept, das einem hilft, sich immer wieder selbst anzuspornen. Doch es gibt konkrete Fragen, die – wenn man sie sich ehrlich beantwortet – ein großer Motivator sein können:

Fragen zur Selbstmotivation: 

  • positiv:Ist das Ziel, um das es Ihnen geht, wirklich lohnens­ und erstrebenswert? Schreiben Sie sich diese Antwort am besten auf. Das zwingt Sie dazu, möglichst präzise zu sein, und lässt Lücken und offene Fragen in Ihrer Zielsetzung erkennen.
  • positiv:Was ist das große Ganze hinter Ihrem Ziel? Geht es Ihnen wirklich nur um das Erreichen einer bestimmten Umsatzmarke? Manche Menschen setzen sich neben dem „offensichtlichen“ Ziel noch ein übergeordnetes. Sie geben ihrer Aufgabe einen Sinn: etwa, sich selbst und ihrer Familie Glück zu ermöglichen. Freude am Beruf bedeutet für sie Ausgeglichenheit im Privatleben, was ihnen wiederum Energie in Krisenzeiten verleiht.
  • positiv:Haben Sie sich bei Ihrem Projekt Meilensteine und Etappenziele gesetzt? Haben Sie diese auch gebührend gefeiert? Rekapitulieren Sie noch mal, wie Sie ein Etappenziel erreicht haben. Erleben Sie das Gefühl vor Ihrem geistigen Auge. Denn auch das gehört dazu. Niederlagen kann man besser begegnen, wenn man sich an Erfolge erinnert.
  • positiv:Können Sie sich verzeihen? Niemand ist unfehlbar, und Rückschläge sollten Sie einfach als Planänderung ansehen. Selbsthass ist immer kontraproduktiv.
  • positiv:Haben Sie einen Zeitplan, in dem Sie ein Ziel erreichen wollen? Ein Zeitplan strukturiert einen selbst, und auch die Aufgabe ist in ihrer Umsetzung viel klarer vorstellbar.
Grafik, Männchen läuft Marathon
© Niklas Briner - Ein Marathon als Sprint: Unternehmerischer Erfolg wird auf der Langstrecke entschieden.

Viele Führungskräfte beherzigen all diese Punkte rein instinktiv. Doch konkrete Fragestellungen helfen, wenn es einmal nicht gelingt. Denn nicht immer kann man sich als Führungskraft auf die Eigenschaft verlassen, die einen überhaupt erst zu dem gemacht hat, was man ist: Ehrgeiz. Ohne Ehrgeiz, ohne den sturen Willen zur Machbarkeit wären Fahrrad oder iPhone nie erfunden worden, hätten berufliche Karrieren nie stattgefunden. Ehrgeiz macht Führungskräfte zu dem, was sie sind.

Doch es ist nur menschlich, wenn auch diese Eigenschaft einmal schwächer in einem leuchtet. Dann sollte man versuchen, sich ein wenig vom überhandnehmenden inneren Druck zu befreien. Mit dem Gedanken an Etappenziele, mit konkreten Strukturen, mit Zielen – und mit einer ganz entscheidenden Frage: „Was mache ich heute ein bisschen besser als gestern?“ 

Praxisbeispiel Yvonne Berger

Motivierende Gespräche mit Partner und Chefin

Yvonne Berger, 32, Verwaltungs- und Personalchefin der Teigwaren Riesa GmbH:

„2008 haben wir ein neues Werk gebaut. Neue Verfahren und Prozesse kamen auf uns zu, ebenso wie neue Mitarbeiter. Die Belegschaft war verunsichert. Neue und alte Kollegen mussten zu neuen Teams geformt werden, die neuen Schichtleiter sich in der veränderten Position behaupten und mit ungewohnten Produktionsabläufen und Maschinen auseinandersetzen. Viele wussten in dieser Übergangszeit nicht, wo sie im Unternehmen stehen und was ihre Aufgaben sind. Das war wie ein Schiff bei starkem Seegang. In vielen Gesprächen mit den Mitarbeitern ist es uns gelungen, den Kurs zu halten.

Manchmal fiel es mir dann schwer, mich selbst immer wieder neu zu motivieren, um gegenüber Mitarbeitern überzeugend aufzutreten. Natürlich nimmt man solche Phasen auch mit nach Hause. Ich schöpfe dann Energie aus Gesprächen mit meinem Partner. Er zeigt mir oft noch einen anderen Blickwinkel auf Probleme. Und ich rede sehr viel mit meiner Chefin. Sie hat eine besonnene Art, mit Dingen umzugehen, und denkt analytisch. So motiviere ich mich immer wieder von Neuem.“

Praxisbeispiel Jörg Dossmann

Motivation durch Meditation

Jörg Dossmann, 51, Diplomingenieur und geschäftsführender Gesellschafter der Eisengießerei Dossmann:

„Mein Tag setzt sich zusammen wie ein Mosaik. Täglich erledige ich 80 bis 100 unterschiedliche Aufgaben: Eine Mitarbeiterin will über Lohn reden, es gibt Klärungsbedarf mit dem Architekten, dem Steuerberater, dem Regierungspräsidium oder der Betriebsleitung. Ich muss mich auf vieles einlassen und dennoch immer gleich engagiert sein, muss delegieren und lenken. Diese Aufgabe macht mir sehr viel Spaß – doch ich kann sie nicht jeden Tag mit der gleichen Kraft erledigen.

An Tagen, an denen mir die Motivation fehlt, hilft es mir zum Beispiel, dass Kollegen auf mich zukommen und mich unterstützen. Das Führungsteam denkt mit, stößt mich an, wenn ich in Verzug gerate. Darüber hinaus meditiere ich seit etwa 15 Jahren. Ich bin ein Wirtschaftsmensch und Unternehmer, aber diese Form der inneren Einkehr hat meine Sicht auf die Dinge verändert. Wenn ich mich mit der Lehre des Buddhismus befasse, kann ich mit Problemen, Sorgen oder kraftlosen Zeiten viel besser umgehen. Nichts ist fatal, es gibt für alles eine Lösung. Das klingt vielleicht banal, aber die vielen Jahre haben mich persönlich sehr weit gebracht. Es gibt für alles einen höheren Sinn – und das ist der Leitgedanke, der mich immer wieder antreibt und motiviert.“

Praxisbeispiel Bastian Karweg

Durch Teamgespräche aus der Blockade

Bastian Karweg, 30, Wirtschaftsinformatiker und Gründer des Internetunternehmens Echobot aus Karlsruhe:

„Unsere Firma entwickelt Suchmaschinen-Technologie, die aktuelle Informationen und Nachrichten mit der eigenen Kundendatei verknüpfen kann. Vor wenigen Wochen waren wir mit den Vorbereitungen für die CeBIT beschäftigt, als durch ein Update plötzlich vermehrt Fehler aufgetreten sind. Kunden haben sich beschwert. Gleichzeitig fielen zwei Programmierer aus. Das war absolut demotivierend. Ich habe in solchen Zeiten immer so viele Fragen, Probleme und Informationen im Kopf, dass ich manchmal den richtigen Weg nicht mehr erkenne – und dann beginnen die Zweifel. Also trommelte ich die Mannschaft zusammen. Wie gehen wir mit der Situation um?

Die Kollegen hatten viele Fragen: Warum konzentrieren wir uns so sehr auf das neue Produkt? Da wurde mir klar, dass ich in den vergangenen Wochen vieles nicht richtig kommuniziert hatte. Das neue Programm ist innovativer und wird mehr Arbeitsplätze schaffen, die CeBIT ist dafür ein wichtiger Meilenstein. Das habe ich erklärt, und viele Kollegen konnten das nachvollziehen. Ich war dann raus aus der Blockade, denn die Verantwortung verteilte sich nun auf viele Köpfe. In regelmäßigen Abständen hole ich mir immer wieder die Rückmeldung meiner Mannschaft.“

In Kürze: Die fünf wichtigsten Fakten über Selbstmotivation

  • Auch Führungskräfte, die eigentlich laufend ihre Belegschaft motivieren sollen, geraten mal in ein Motivationstief. Wer sich über folgende Fragen Gedanken macht, findet den Weg aus der Krise leichter:
  • Schreiben Sie Ihre Zielsetzung möglichst konkret und präzise auf. Analysieren Sie offene Fragen und denken Sie darüber nach, ob das Ziel wirklich erstrebenswert ist. Fragen Sie sich auch, ob es ein großes Ganzes hinter Ihrem offensichtlichen Ziel gibt.
  • Setzen Sie sich Meilensteine und feiern Sie diese gebührend. Versuchen Sie, sich in demotivierenden Phasen an den Erfolg zu erinnern, das stärkt Sie auch nach Niederlagen.
  • Verzeihen Sie anderen und sich selbst. Versuchen Sie, Rückschläge als Planänderung anzusehen, denn Selbsthass ist immer kontraproduktiv.
  • Ein Zeitplan hilft bei der Zielerreichung.

Titelfoto: © Niklas Briner