„Die Bank sah in uns keine lohnende Investition mehr“

Aufgeben? Zählt nicht! In unserer Serie „Firmen trotzen der Krise“ trifft Faktor A auf inspirierende Menschen, die es geschafft haben, ihre Unternehmen auf kreative Weise neu zu erfinden.


24.06.2020 - Alexander von Tomberg -4 MinutenArbeitswelt gestalten

Aufgeben? Zählt nicht! In unserer Serie „Firmen trotzen der Krise“ trifft Faktor A auf inspirierende Menschen, die es geschafft haben, ihre Unternehmen auf kreative Weise neu zu erfinden. Lesen Sie hier ihre Geschichten.

„Wir standen mit dem Rücken an der Wand“

ne Schäufele,  Mitgründer des Start-ups Connfair
© PR - Arne Schäufele ist Mitgründer des Start-ups Connfair.

Arne Schäufele ist Mitgründer und Geschäftsführer des Darmstädter Start-ups Connfair und beschäftigt acht Mitarbeiter. Das 2018 gegründete Software-Unternehmen hat sich auf das Ticket- und Einlass-Management von Großveranstaltungen spezialisiert.

„Als ich im Fernsehen die Ankündigungen der Bundesregierung zum Lockdown sah, war das für mich wie ein Schlag in die Magengrube. Messen, Tagungen, Konzerte – alle Großveranstaltungen waren auf einmal vorbei. Damit standen wir als junges Unternehmen mit dem Rücken an der Wand. So ganz ohne finanzielle Rücklagen, das war mir klar, würde es uns nicht mehr lange geben. Und der Bankberater, mit dem wir über eine Kapitalspritze verhandelten, sah in uns auch keine lohnende Investition mehr.

„Wir suchten nach Lösungen, wie wir uns aus der Schockstarre befreien können“

Aber das weckte den Kampfesgeist in mir – Kurzarbeit wollte ich nicht beantragen. Zusammen mit meinen Mitgründern suchte ich schnell nach Lösungen, wie wir uns aus der Schockstarre befreien können. Zusätzlich zu einer Software-Plattform für den Ticketverkauf hatten wir ein vollintegriertes mobiles Drehkreuz entwickelt. Das läuft ähnlich ab wie bei den Self-Service-Kassen einer bekannten schwedischen Einrichtungshauskette – in unserem Fall werden die Tickets am Drehkreuz eingescannt und die Besucher automatisch eingelassen. Vor der Corona-Pandemie sind wir mit der Geschäftsidee auf eine Goldgrube gestoßen: Kürzere Wartezeiten machen bessere Laune, und die Veranstalter haben weniger Personalaufwand.

Die Serie: Firmen trotzen der Krise

Hinfallen, aufstehen, weitermachen: Das lernen wir von klein auf. Für unsere Serie haben wir Menschen getroffen, die sich in der schweren Zeit des Lockdowns aufgerappelt und ihr Unternehmen ganz neu aufgestellt haben. Dabei haben sie oft nicht nur sich, sondern auch anderen geholfen. Hier lesen Sie ihre Geschichten:

Der erste Teil: Krise? Nicht mit mir!

Der zweite Teil: „Wir haben es geschafft, Kurzarbeit zu vermeiden“

Der dritte Teil: „Die Bank sah in uns keine lohnende Investition“

Der vierte Teil: Gemeinsam nach vorne schauen

Aber wer braucht das gerade, wenn größere Veranstaltungen nicht erlaubt sind? Da hatten wir die rettende Idee: Supermärkte. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben darf nur eine beschränkte Zahl von Kunden in die Läden. Wir haben unser System angepasst und aus dem Drehkreuz eine Ampel gemacht. Sensoren zählen an allen Ein- und Ausgängen die Kunden, die hinein- oder herausgehen. Ist die vorgegebene Zahl erreicht, springt die Ampel auf Rot – oder auf Grün, wenn sich das Geschäft leert.

Einlassampel Supermarkt
© PR - Die Einlass-Ampel

Die Einlass-Ampel hat ein Supermarktleiter sofort bei sich vor dem Laden aufstellen lassen – er war begeistert, weil er damit auch die Kosten für Security-Personal einspart. Nach mehreren Testphasen haben sich nun weitere Kunden bei uns angemeldet, wie zum Beispiel Freibäder, die sich auf die Sommersaison vorbereiten. Das war wirklich die richtige Idee zur richtigen Zeit – sogar ein Wolfsburger Museum benutzt unser Ampelsystem. Mittlerweile bekommen wir internationale Anfragen. Das alles ist überwältigend, weil ich mit dem Erfolg nicht gerechnet hatte. Was mich besonders glücklich macht, ist, dass ich keine Kurzarbeit für unser Unternehmen beantragen muss. Ich gehe davon aus, dass wir gestärkt aus der Krise gehen.“

„Den Betrieb zu schließen war keine Option“

Stephan Haida, Geschäftsführer von Artlife
© PR - Stephan Haida baute sich ein mobiles Office, weil er zu Hause nicht in Ruhe arbeiten konnte.

Stephan Haida ist Geschäftsführer von Artlife mit Sitz in Hofheim am Taunus und beschäftigt 60 Mitarbeiter. Das 1993 gegründete Unternehmen ist im Messe- und Eventbau tätig.

„Ich weiß noch, wie gelähmt ich mich gefühlt habe, als ich von den Maßnahmen durch den Lockdown erfuhr. Als Messebauer leben wir von Großveranstaltungen – und auf einmal waren alle Aufträge aufgrund der Corona-Pandemie bis Ende August weg. Wir spielten daraufhin alle möglichen Szenarien durch bis hin zur Betriebsschließung. Das wollten wir aber nicht. Deswegen haben wir als eines der ersten Unternehmen in Hessen Kurzarbeit beantragt.

„Ich bin kein Freund von Homeoffice“

Neu war für mich das coronabedingte Arbeiten im Homeoffice – ich selber bin kein wirklicher Freund davon. Ich liebe es einfach, ins Büro zu fahren und dort an neuen Ideen für die nächsten Projekte zu tüfteln. Als ich an einem der seltenen Bürotage einen Kollegen traf, tauschten wir uns kurz darüber aus, dass wir beide zu Hause einfach nicht die Ruhe finden, um ungestört zu arbeiten. Wie schön wäre es doch, einen Extraraum zu haben. Das war die Initialzündung! Warum bauen wir nicht ein mobiles Office? Einen Raum, der überall aufgestellt werden kann?

Mit unserem Know-how als Messebauer haben wir die Idee eines befreundeten Projektentwicklers übernommen, der sich schon seit längerer Zeit mit dem Thema auseinandergesetzt hatte, und innerhalb von zwei Wochen einen Prototyp gebaut: „Xtra-Raum“ ist das deutschlandweit erste mobile Homeoffice. Acht Quadratmeter groß, mit Klimaanlage und ergonomischen Möbeln ausgestattet, WLAN-Router, Steckdosen, und auf Wunsch kann auch eine Solaranlage auf dem Dach installiert werden. Das Arbeitshäuschen stellen wir dort ab, wo es ad hoc gebraucht wird – ob im Vorgarten oder auf dem Parkplatz. Interessierte können es kaufen oder mieten.

„Ich merke, wie stolz das die Kollegen macht“

Dabei halten wir uns an die strengen Vorschriften, die in Deutschland ein offizieller Homeoffice-Platz erfüllen muss: Es hat große Fenster, ist abschließbar und erfüllt die Mindestgröße. Viele Privatpersonen haben sich bereits für „Xtra-Raum“ interessiert. Nun erstellen wir Vertriebskonzepte, um Unternehmen zu begeistern. Ich freue mich, zu sehen, wie sehr das Projekt uns alle motiviert. Wir tun was, und ich merke, wie stolz das die Kollegen macht. Das macht mich zuversichtlich, dass wir die Krise überstehen werden.“


Titelfoto: © iStock/gustavofrazao