Wenn sich im Unternehmen etwas ändern muss

Ronald Steyer leitete bei der DEG Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft einen Change-Prozess an und beteiligte die Mitarbeiter daran.


03.01.2018 - Esther Werderinghaus -7 MinutenArbeitswelt gestalten

Vor ein paar Jahren leitete Ronald Steyer bei der DEG Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft einen umfangreichen Change-Prozess an. Nicht immer war es einfach, zwischen Management und Belegschaft zu vermitteln. Im Interview erzählt er von konfliktreichen Phasen und dem großen Vorteil, die Mitarbeiter noch mehr mit ins Boot zu holen.

Faktor A: Herr Steyer, was war in Ihren Augen eine konfliktreiche Phase im Unternehmen?

Ronald Steyer: Das war vor etwa vier Jahren, als das DEG-Management eine Initiative startete, um die Bank zu einer kundenorientierteren Organisation zu machen. Wir wollten mehr denn je Partner unserer Kunden werden, wollten sie begleiten, unter anderem bei strategisch wichtigen Wachstumsprozessen. Das erfordert eine umfassende Beratung und Betreuung. Unsere Strategie: Je besser wir die Bedürfnisse eines Kunden – und seines Unternehmens – verstehen, desto besser können wir auf die Umsetzung seiner Ziele eingehen. Das hieß und heißt für uns: den Fokus noch stärker auf die kundenorientierte Arbeit zu richten. Das wiederum erforderte umfangreiche Veränderungsprozesse bei der DEG, von denen fast alle Mitarbeiter und Führungskräfte betroffen waren. An manchen Schnittstellen kam es dann zu Konflikten.

Wo gab es die stärksten Reibungspunkte?

Wir wollten die gesamte Arbeitsweise verändern: mehr Verantwortung für die Kundenbetreuer, mehr Teamarbeit. Das bedeutet, dass jeder einzelne seine Arbeitsweise anpassen musste. Und das führte zu Verunsicherung und oft zu Verstimmung bei Mitarbeitern und Führungskräften. Die Teams wurden neu zusammengestellt, einige mussten ihre lieb gewonnenen Gruppen verlassen. Viele Mitarbeiter haben daher auch andere Führungskräfte bekommen. Verunsicherungen, die aus solchen Veränderungen resultieren, kann man nicht verneinen oder leugnen. Und oft sind sie auch mehr ein Gefühl. So konnte ich beobachten, dass sich einige fragten, ob ihre Arbeit vorher schlecht oder nutzlos war, wenn jetzt alles so deutlich verändert werden soll. Sie hatten den Eindruck, ihre Arbeit würde abgewertet, was sie als Kränkung wahrnahmen.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Mit der Initiative wollten wir eine neue Qualität der Kundenorientierung erreichen und sicher nicht die bisher geleistete Arbeit abwerten. Change Management muss sich immer mit Sachfragen und Gefühlen auseinandersetzen. Daher braucht es viele Methoden, um die Mitarbeiter mit ins Boot zu holen. Neben Informationsveranstaltungen gab es auch Dialogformate, in denen Verunsicherung und Fragen artikuliert werden konnten. Eine wichtige Rolle spielte auch eine Gruppe, die wir das Change Board nannten. Innerhalb der Belegschaft waren sie Vertrauenspersonen und Ansprechpartner. Sie sprachen in ihren eigenen Netzwerken mit den Kolleginnen und Kollegen. Das war wichtig für uns, denn sie haben uns sehr authentisch die Meinung der Belegschaft zurückmelden können.

Meine Helden

Ronald Steyer

führte bis August 2017 das Change-Management-Team bei der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH. Fünf Jahre lang war der gelernte Volkswirt für die DEG, davor in unterschiedlichen Führungs- und Beratungsaufgaben im KfW-Konzern, bei der Deutschen Telekom und einem mittelständischen Beratungsunternehmen im In- und Ausland tätig. Seit September 2017 leitet er ein Länderteam in der KfW-Entwicklungsbank.

Blieb es bei einer einzigen Bestandsaufnahme?

Nein, wir brauchen kontinuierliches Feedback, haben aber auch im jährlichen Wechsel Mitarbeiter- und Kundenbefragungen durchgeführt. Die Ergebnisse haben wir komplett transparent gemacht: Die Mitarbeiter konnten das Feedback ihrer Kollegen und die Rückmeldungen der Kunden in Veranstaltungen und im Intranet einsehen. Als Change Manager habe ich auch selber immer genau beobachtet und versucht zu verstehen, was hinter einem bestimmten Verhalten oder Skepsis wirklich steckt. Ich war so etwas wie der Vermittler zwischen Mitarbeitern und Management und überbrachte natürlich auch kritische Anmerkungen. So konnten wir immer wieder neue Impulse setzen, damit Mitarbeiter und Führungskräfte ihr Verhalten und ihre Arbeitsweise verändern.

Was hat Sie am meisten überrascht in diesem Prozess?

Die ganze Phase war aus meiner Sicht eine ziemliche Zäsur im Unternehmen, und wie gesagt: Nicht alles wurde begrüßt. Überraschend war für mich der Übergang von einer Phase der Skepsis zu einer Phase der zunehmenden Offenheit. Die Mitarbeiter und Führungskräfte entwickelten nach einer Zeit immer mehr Eigeninitiative. Sie haben sich die Zielsetzung des Veränderungsprozesses zu eigen gemacht und zum Beispiel Erfahrungsaustausch zwischen mehreren Teams organisiert, bei dem es um neue Arbeitsweisen ging.

Zitat:

„Es ist eine zeitaufwendige Aufgabe, gemeinsam den richtigen Weg zu finden.“

Wie lief es denn vor dem jetzigen Change-Prozess?

Die Organisation hatte auch früher schon Veränderungsinitiativen, die waren aber eher Projekte von technisch-organisatorischer Natur. In erster Linie wurden Strukturen und IT-Systeme verändert. Doch die Veränderungen der Arbeitsweise spielten keine große Rolle. Der jetzige Veränderungsprozess ist in vielerlei Hinsicht umfassender und kontinuierlicher.

Woran scheitert man auch mal als Change Manager?

An einer zu ehrgeizigen Zeitplanung zum Beispiel. Vieles läuft in so einer Phase sowieso gleichzeitig, und das verursacht auch Widersprüche. Wenn wir versuchen, die ganze komplexe Organisation zu schnell zu verändern, entstehen dann noch mehr Unsicherheiten. Meine Lehre daraus war, auch hier ein Gespür für den Takt im Unternehmen zu bekommen und dann eben auch mal einen Gang herunterzuschalten.

Zum Unternehmen

Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft

Als Tochter der KFW-Bankengruppe finanziert die DEG Investitionen privater Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Kölner Hauptzentrale und in Außenbüros weltweit tätig.

Welche Eigenschaften braucht ein guter Change Manager?

Er muss robust sein, denn es gibt in diesen Phasen kleine und auch größere Konflikte. Da der Change Manager auch für den Veränderungsanspruch steht, ist er für viele eine Reizfigur. Er weiß nicht besser als die anderen, wie etwas funktioniert – aber er initiiert Dialoge für ein besseres Gelingen. Ich habe in den vielen Diskussionen mit Mitarbeitern und Management enorm viel gelernt und wurde offener für verschiedene Beweggründe. Die Kolleginnen und Kollegen wiederum haben wahrgenommen, dass Change Manager keine Umsetzungsmaschinen sind.

Gelingt ein Change-Prozess nur mit einem Change Manager?

Den kann sich nicht jedes kleine Unternehmen leisten. Auch in kleinen Unternehmen kann ein gutes Change Management funktionieren. Wenn die Führungskraft nicht hierarchisch denkt und „durchsetzen“ will, kann sie den Job auch selbst übernehmen. Sie muss klarmachen, dass sie Veränderung möchte, und dem Team gleichzeitig Spielräume lassen, das Wie zu gestalten. Sie braucht eine analytische Seite in Verbindung mit Spaß an der Kommunikation und sollte überlegen, ob es jemanden im Team gibt, der sie im Veränderungsprozess unterstützen kann. Am besten eignet sich jemand, der ein Gespür für die Menschen im Team hat und auf sie zugehen kann. Eines sollte man nicht unterschätzen: Es ist eine zeitaufwendige Aufgabe, mit dem Team im Gespräch zu sein und gemeinsam den richtigen Weg zu finden.

Aus der Praxis

„Ein Change-Prozess fördert Vertrauen unter den Mitarbeitern“

Change-Berater Jürgen Peterke berät und begleitet Unternehmen bei Veränderungsprozessen. Wie wichtig dabei das Vertrauen der Mitarbeiter untereinander ist, erzählt er am Beispiel eines mittelständischen Baukonzerns.

„In der Hauptniederlassung eines Baukonzerns sollte die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern des Finanz- und Rechnungswesens verbessert werden. Die Organisation war in Debitoren, Kreditoren und andere Gruppen gegliedert und sollte nun zu einer kundenbezogeneren Arbeitsorganisation gemacht werden, was für den einzelnen Mitarbeiter mehr Eigenverantwortung und ein ganzheitlicheres Denken fürs gesamte Unternehmen erforderte – nicht nur, wie vorher, für einen Fachbereich.

Die Niederlassung hatte schon zweimal versucht, die Strukturen zu verändern und dabei auf Teamentwicklung und ein besseres Verständnis der Mitarbeiter füreinander gesetzt. Jedes Mal waren sie damit kläglich gescheitert. Mittlerweile hatte sich Unzufriedenheit breitgemacht. Besonders die Jüngeren beklagten den „in langweiliger Routine erstarrten Laden“. Für den kaufmännischen Leiter, der unsere Agentur mit einem Change Management beauftragt hatte, war es „der letzte Versuch“, etwas zu ändern.

Beim Change-Prozess setzten wir also auf einen ganz neuen Ansatz. Wir bezogen die Mitarbeiter von Anfang an in die Entwicklung der Themen für die Neuausrichtung mit ein. In den Workshops entwickelten sich ganz intensive Diskussionen unter den Mitarbeitern. Die waren zuweilen sehr heftig und angstbesetzt. Doch der rege Austausch hatte zur Folge, dass die Kollegen fast automatisch ein größeres Vertrauen zueinander entwickelten. Gemeinsam mit dem Management arbeiteten sie ein neues Modell für das Finanzwesen und Controlling aus. Über die gemeinsame Definition von zukünftigen Prozessen, Teamstruktur, Rollen, Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Regeln für die Zusammenarbeit wuchs das Verständnis füreinander erheblich.

Das Neue klang plötzlich spannend und motivierte die meisten. Nur zwei Mitarbeiter konnten sich mit den gestiegenen Anforderungen nicht anfreunden und verließen das Unternehmen. Die Mehrheit aber setzte den Neuentwurf nach und nach um. Über ihre Erfahrungen diskutierten sie dann in den Folgeveranstaltungen und korrigierten die Vorgänge. Das Ergebnis: Die neue Arbeitsform hat sich in kurzer Zeit stabilisiert – die Zufriedenheit deutlich zugenommen.“


Titelfoto: © Stocksy