
Vertrauensarbeitszeit vs. Arbeitszeitkonten
Jede Minute zählt
Stechuhren und Arbeitszeitkonten sind für die eine unverzichtbar: Mitarbeiter sollen jede Überstunde ausgleichen können. „Das geht nur mit einer genauen Dokumentation“, sagt sie. – „Wir vertrauen unseren Mitarbeitern“, die andere. „Solange die Arbeitsziele erreicht werden, ist es egal, wie lange und wo unsere Mitarbeiter arbeiten.“ Zwei Meinungen.

Zur Person
Pauline Norrenbrock
Pauline Norrenbrock ist Geschäftsführerin des Norrenbrock Abbund-Centers. Das Norrenbrock Abbund-Center beschäftigt im niedersächsischen Vrees, 20 Kilometer westlich von Cloppenburg, insgesamt 20 Mitarbeiter, die meisten von ihnen Handwerker. Das Leistungsspektrum umfasst den privaten Wohnungsbau, die Errichtung landwirtschaftlicher Gebäude als auch Bauvorhaben von Kommunen, Gemeinden und öffentlichen Einrichtungen wie beispielsweise Schulen und Kindergärten.
Pro Vertrauensarbeitszeit
In deutschen Unternehmen herrscht noch immer eine Anwesenheitskultur. Die Stechuhr ist das Kontrollinstrument, es herrscht bei vielen Angestellten und Chefs noch immer der Irrglaube: Wer besonders viel Zeit im Büro verbringt, ist besonders wertvoll für das Unternehmen. Das setzt falsche Anreize, ist familienfeindlich und deshalb überholt. Wir haben deswegen 2009 die sogenannte Vertrauensarbeitszeit eingeführt: Es zählt das Ergebnis, nicht die Arbeitszeit.
Unsere Führungskräfte sprechen fortlaufend mit den Mitarbeitern, legen gemeinsam mit ihnen Ziele fest, kontrollieren und besprechen die Ergebnisse. Natürlich birgt dieser Ansatz die Gefahr, dass Arbeitnehmer überfordert werden, dass sie unbezahlte Überstunden machen müssen und ständig unter Stress stehen. Deshalb fördern wir die Kommunikation und werben bei den Vorgesetzten dafür, immer wieder das Gespräch mit den Mitarbeitern zu suchen. Ist die Arbeit zu schaffen? Wie sind die Abläufe? Was hat sich geändert? Gehört diese konkrete Arbeit wirklich zum Aufgabenbereich des Mitarbeiters?
Um die Akzeptanz des neuen Arbeitsmodells zu erhöhen, haben wir in der Verwaltung die Vertrauensarbeitszeit auf freiwilliger Basis eingeführt. Wer weiter die Stechuhr nutzen möchte, arbeitet mit Arbeitszeitkonto. Anfangs war die Belegschaft skeptisch. Nur 60 Prozent haben die Vertrauensarbeitszeit gewählt. Heute arbeiten nur noch drei von etwa 50 Beschäftigten in der Verwaltung mit der Stechuhr.
„Es zählt das Ergebnis, nicht die Arbeitszeit.“Beatrice Bracklo
Seitens des Unternehmens gibt es wenige Vorgaben: Es soll in jeder Abteilung immer mindestens ein Mitarbeiter erreichbar sein, zu bestimmten Kernzeiten gibt es höhere Mindestbesetzungen in den Abteilungen. Ansonsten verhandeln die Mitarbeiter Freizeitausgleich und Heimarbeit individuell. Flexibilität ist so für unsere Mitarbeiter zur gelebten Praxis geworden.
Eine Einschränkung muss ich allerdings nennen: In der Produktion konnten wir die Vertrauensarbeitszeit noch nicht einführen, da wir hier in einem Drei-Schichten-Modell arbeiten. Ich bin aber überzeugt davon, dass auch in der Schichtarbeit Vertrauensarbeitszeit möglich ist und sich die Mitarbeiter selbst organisieren können. Das Thema ist deshalb noch nicht ad acta gelegt und wir suchen mittelfristig auch für diese Beschäftigten flexiblere Arbeitszeitmodelle.

Zur Person
Beatrice Bracklo
Beatrice Bracklo ist Personalleiterin der Essel Deutschland GmbH. Die Essel Deutschland GmbH fertigt und bedruckt in Dresden Laminat-Tuben, die Lebensmittel- und Kosmetikfirmen als Verpackung für Zahnpasta, Shampoo und Senf dienen. Insgesamt 150 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, das als deutsch-indisches Joint Venture gegründet wurde. Etwa 50 davon arbeiten in der Verwaltung und dürfen die Vertrauensarbeitszeit wählen.
Pauline Norrenbrock, Beatrice Bracklo
Titelfoto: © Getty Images
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