Volle Flexibilität für Mitarbeiter in Teilzeit

Plötzlich gehen viele in Elternzeit? Das bereitet vor allem Branchen Probleme, denen die Fachkräfte fehlen. Steuerberater Egon Gramberg verrät, wie es ihm gelungen ist, eine Lücke im Personal rasch mit hoch qualifizierten Teilzeitkräften zu schließen.


29.07.2020 - Akiko Lachenmann -4 MinutenArbeitswelt gestalten

Plötzlich gehen viele in Elternzeit? Das bereitet vor allem Branchen Probleme, denen die Fachkräfte fehlen. Ein Oldenburger Steuerberater verrät, wie es ihm gelungen ist, eine Lücke im Personal rasch mit hoch qualifizierten Teilzeitkräften zu schließen.

Angesichts des Fachkräftemangels weisen Statistiker auf eine Personengruppe hin, die in Deutschland noch Luft nach oben zu haben scheint: die Teilzeitkräfte. Während in EU-Ländern wie Frankreich oder Italien Mitarbeiter in Teilzeit durchschnittlich 21 bis 22 Stunden arbeiten, liegt der Schnitt hierzulande bei nur 19 Stunden. Aber wie gewinnt man qualifizierte Teilzeitkräfte und überzeugt diese, sich für ein hohes Stundenpensum zu entscheiden? Ein Oldenburger Steuerberater, bei dem von 13 Mitarbeitern auf einmal drei Vollzeitkräfte schwanger wurden, hat es vorgemacht. Ein Gespräch mit Firmenchef Egon Gramberg.

Faktor A: Herr Gramberg, Sie konnten innerhalb kürzester Zeit das Ausscheiden von drei Mitarbeiterinnen in Vollzeit durch vier neue Mitarbeiterinnen in Teilzeit kompensieren? Wie ist Ihnen das gelungen?

Egon Gramberg: Ich denke, das gelang aus zwei Gründen: Zum einen machen wir Teilzeitkräften ein sehr attraktives Angebot, nicht nur finanziell. Zum anderen arbeiten wir mit einer Personalberaterin zusammen, die dieses Angebot sehr gut zu vermarkten weiß.

Was ist an Ihrem Angebot besonders?

Bei uns haben Teilzeitkräfte beispielsweise viele Freiheiten bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit, ob von montags bis donnerstags oder mittwochs bis freitags, ob ab zehn Uhr oder bis 14 Uhr, ob im Büro oder von zu Hause aus. Das ist insbesondere für Familien attraktiv, die ihre Kinder morgens vor der Arbeit noch in die Kita bringen oder nachmittags bis 15 Uhr abholen müssen. Was unsere Mitarbeiter nicht mehr im Büro erledigen können, können sie später auch von zu Hause aus nachholen. Überdies betreiben wir mit anderen Firmen eine Kita, die keine 700 Meter von uns entfernt liegt, und bezuschussen jedes Kind monatlich mit 300 Euro.

Der Schlüssel ist Ihrer Ansicht nach Familienfreundlichkeit?

Ich denke schon. Alle vier neuen Mitarbeiterinnen sind hoch qualifizierte Mütter, die direkt nach der Elternzeit wieder arbeiten, und zwar nicht nur halbtags, sondern zwischen 70 und 75 Prozent. Noch vor zehn Jahren waren diese Fachkräfte für mehrere Jahre nicht mehr erwerbstätig, weil die Arbeitgeber ihnen damals nicht entgegenkamen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute muss sich der Arbeitgeber an seine Mitarbeiter anpassen, nicht umgekehrt.

Wie sieht das bei Ihnen konkret aus?

Egon Gramberg
© Privat - Egon Gramberg

Ich habe beispielsweise Sorge dafür getragen, dass die Arbeit weitgehend elektronisch und damit auch von zu Hause aus erledigt werden kann. Bei uns wird auch keine Arbeitszeit erfasst, wir arbeiten auf Vertrauensbasis. In unserem Haus ist es zudem selbstverständlich, dass Teamsitzungen oder andere wichtige Termine so gelegt werden, dass alle daran teilnehmen können, auch wenn dafür manchmal einige Absprachen erforderlich sind. Selbst den Arbeitsplatz darf der Mitarbeiter mitgestalten: Er darf aus einer Reihe von Stühlen wählen und sich Pflanzen raussuchen, die zu ihm passen. Das sind vermeintliche Kleinigkeiten, die am Ende aber den Ausschlag geben können.

 

Warum leisten Sie sich darüber hinaus eine Personalberaterin?

Sie ist als Außenstehende viel eher in der Lage, die vielen Aspekte unserer Unternehmenskultur, die ich mir zum Teil gar nicht mehr bewusst mache, Bewerbern gegenüber darzustellen. Und ich spare wertvolle Zeit, wenn ich die Bewerbersuche in professionelle Hände gebe. Ich rate sehr davon ab, an dieser Stelle zu sparen. Wenn ich zwei Mitarbeiter nach einem halben Jahr wieder austauschen muss, weil es nicht gepasst hat, kommt mich das am Ende deutlich teurer als eine Personalberatung.

Sind Ihre Erfahrungen übertragbar auf andere Branchen? Oder haben Sie es als Steuerberater besonders leicht, Teilzeitkräften entgegenzukommen?

Ich denke, jeder Dienstleister kann heutzutage flexible Arbeitszeiten anbieten. Man muss nur wollen. Für Produktionsbetriebe gilt das natürlich nur eingeschränkt.
 

Formen der Teilzeitbeschäftigung

Bei der Teilzeitarbeit gibt es verschiedene Modelle. Das klassische Modell sieht vor, an jedem der fünf Werktage eine festgelegte Stundenzahl zu arbeiten. Darüber hinaus gibt es folgende Teilzeitmodelle:

  • Die Mitarbeiter arbeiten an festgelegten Wochentagen, zum Beispiel immer montags bis mittwochs.
  • Die Mitarbeiter arbeiten in einem Turnus, zum Beispiel haben sie eine Woche Vollzeitarbeit und eine freie Woche im Wechsel.
  • Die Mitarbeiter arbeiten je nach Arbeitsaufkommen, zum Beispiel Vollzeit in Monaten mit hohem Arbeitsaufkommen und Teilzeit oder gar nicht in Monaten mit niedrigem Arbeitsaufkommen.
  • Die Mitarbeiter arbeiten völlig individuell mithilfe von Arbeitszeitkonten, zum Beispiel arbeiten sie trotz Teilzeit Vollzeit, die Überstunden werden auf ein Zeitkonto gebucht und können zu einem späteren Zeitpunkt in Freizeit eingelöst werden.
  • Die Mitarbeiter haben Gleitzeitarbeit mit oder ohne Kernarbeitszeit, das heißt, dass sie innerhalb eines Zeitfensters die Lage und Dauer ihrer Arbeitszeit selbst gestalten dürfen.
  • Die Mitarbeiter machen Team-Teilzeit, das heißt, dass sie im Team die jeweilige persönliche Arbeitszeit abstimmen, während der Arbeitgeber nur die Anzahl der Personen vorgibt, die in einem bestimmten Zeitabschnitt anwesend sein müssen.
  • Die Mitarbeiter arbeiten auf Abruf, das heißt, es wird nur die benötigte Arbeit geleistet und vergütet, wobei eine Mindestarbeitszeit, etwa drei Stunden täglich, vereinbart wird.

Titelfoto: © iStock/Chris_Kreymborg