
Psychische Gesundheit
Was hilft gegen den Corona-Burn-out?
Die Pandemie beeinträchtigt unsere Psyche. Der Mediziner Joachim Galuska meint sogar: Wir steuern auf eine Burn-out-Welle zu. Hier erklärt er, was jeder Einzelne tun kann, um nicht in ein Loch zu fallen, und wie wir unsere Resilienz jetzt stärken.
Aber genau das ist ja das Schwierige bei Angst.
Stimmt. Was man wissen muss: Angst ist ein Signalgefühl, das schon seit Urzeiten in uns verankert ist. Sie zeigt uns: Da ist eine Bedrohung. Wir Menschen haben verschiedene Abwehrstrukturen entwickelt, um mit Angst umzugehen. Wir emotionalisieren, dramatisieren, verleugnen und bagatellisieren sie. Da ist es schwierig, eine realistische Mitte zu finden. Aber allein das Nachdenken über meine Ängste macht viele schon einmal kleiner. Und: Es macht mich handlungsfähig.
Wie meinen Sie das?
Es führt dazu, dass ich den nächsten Schritt gehen kann. Habe ich etwa ein Restaurant und Angst davor, es zu verlieren, dann überlege ich: Wie lange kann ich durchhalten? Was brauche ich an finanzieller Kompensation? Wenn ich das ausgerechnet habe, kann ich mit meiner Bank reden, mit den Angestellten. Ich kann aktiv werden. So komme ich aus der Hilflosigkeit und der Opferrolle raus. Das ist ganz wichtig. Das macht mich stark, kompetent und resilient.
Was kann ich noch tun, um meine Psyche zu stärken?
Ganz wichtig ist ein Social-Support-System. Wir brauchen unsere Freunde, die Familie, die Kollegen, weil sie uns emotionale Unterstützung geben, uns regulieren und uns auffangen. Das ist bei Burn-out-Prozessen essenziell. Deswegen ist allein der Begriff „Social Distancing“ so katastrophal, weil er den Rückzug, ob nun freiwillig gewählt oder nicht, positiv begründet. Dabei sind soziale Bindungen ganz entscheidend, um gesund zu bleiben und fähig zu sein, mit Krisen umzugehen. „Physical Distancing“, wie man in anderen Ländern sagt, ergibt daher viel mehr Sinn. Denn Abstandhalten ist ja sinnvoll, nur der soziale Rückzug ist furchtbar, weil er einem die entscheidende Kraft nimmt, nicht abzustürzen.
Das heißt: Es ist jetzt für jeden wichtig, sein eigenes Netzwerk zu pflegen oder zu halten?
Bei vielen Menschen sortieren sich auch Freundschaften gerade neu. Sie stellen fest, mit wem sie sich andauernd streiten und mit wem sie gut reden können und wer ihnen guttut. Manchmal stellt schon das Gespräch allein die Heilung dar. Das Erste, was man tun sollte, ist also, überhaupt miteinander zu reden.
Wie wichtig ist das gerade auch als Arbeitgeber?
Es wäre sehr gut, wenn ich als Vorgesetzter einfach mal fragen würde: Wie geht’s euch? Wie läuft es zu Hause? Gibt’s Probleme? Das zeigt echte Fürsorge. Viele Chefs sind oft nur zu scheu, die Dinge anzusprechen. Dabei sind wir in dieser Phase in erster Linie Menschen mit ähnlichen Problemen, die auf Augenhöhe kommunizieren können und sollten. Es geht ja darum, eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der meine Mitarbeiter das Gefühl bekommen, gesehen und unterstützt zu werden. Das spielt generell eine wesentliche Rolle im Arbeitsleben – und wird jetzt durch Corona nur noch wichtiger. Denn auch Arbeit kann meine Resilienz fördern und uns gegen den Stress stärken.
„Jede Krankheit kann dazu führen, dass wir tiefer über das Leben nachdenken.“
Aber bekommen nicht manche gerade durch die Arbeit einen Burn-out?
Ja, das stimmt. Arbeit kann unsere Gesundheit fördern, aber ihr auch schaden. Wenn es richtig läuft, dann ist sie aber der Ort, wo ich mich mit Sinn erfülle. Und das ist eine ganz wichtige Säule der Resilienz. Wenn ich allerdings bei der Arbeit dauernd gegen meine Werte verstoßen muss, werde ich nicht glücklich. Dann ist vielleicht jetzt der Moment gekommen, innezuhalten und sich der Frage zu stellen: Was müsste ich an meiner Arbeit verändern, damit ich wieder zufrieden bin? Oder: Will ich das überhaupt noch?
Also Corona als Chance für einen Neuanfang nutzen?
Überhaupt erst mal sehen, dass Corona nicht nur eine Katastrophe ist, sondern mir wie jede andere Krankheit auch Chancen bietet. Jede Krankheit kann nämlich dazu führen, dass wir tiefer und existenzieller über das Leben nachdenken. Denn plötzlich merke ich, was wesentlich ist, worum es mir in meinem Leben wirklich geht und was die eigentlichen Werte sind. Das hilft mir in allen Lebensbereichen weiter. In meiner Beziehung, bei Freundschaften und bei der Arbeit.

Zur Person
Joachim Galuska
Dr. Joachim Galuska, 66, ist Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychiatrie. Und er ist Unternehmer. 1990 gründete er die Heiligenfeld-Kliniken in Bad Kissingen, die heute rund 1.000 Mitarbeiter beschäftigen.
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Nele Justus
Titelfoto: © iStock/DmitriMaruta
Sehr hilfreich ! Ergänzen möchte ich das Thema noch um den Wert der Mentalen Präsenz und der Achtsamkeit. Auch Yoga und andere Entspannungsübungen können helfen, aus dem Katastrophen-Denken herauszukommen und Erholungsphasen einzubaúen. Bloß keinen inneren und äußeren Rück-zug, sondern sondern dem "Gestalten statt klagen" der Vor-zug geben !
genau auf dem Punkt gebracht und eine Bestätigung, dass Resilienz gelernt werden kann wenn die richtige Tool vorhanden sind oder entwickelt werden. Das gibt dir die Kraft wieder aufzustehen. Das Glauben an die eigene Kraft befähigt dir deine "Berge" zu versetzen ist meine Erfahrung als ausgebildete Resilienz Coach & Trainerin