„Bei uns gibt es keinen Fachkräftemangel“

2015 hat der Gartenbaubetrieb Theilmeier sein Ausbildungskonzept komplett überarbeitet. Das heutige Fazit des Geschäftsführers lautet: „Fachkräftemangel? Nicht bei uns.“


16.03.2021 - Nicole Benke -5 MinutenMitarbeiter finden

Investition in den Nachwuchs: Die Wilhelm Theilmeier Garten- und Landschaftsbau GmbH in Everswinkel hat 2015 ihr Ausbildungskonzept komplett überarbeitet. Heute gibt es für Azubis sogar die Möglichkeit, ein Praktikum im Ausland zu machen. Viel bieten, viel bekommen, lautet das Motto. Und die Rechnung geht auf.

Es ist etwa sechs Jahre her, da wurde Edgar Theilmeier klar, dass der Arbeitsmarkt dabei war, sich grundlegend zu verändern. Anfang der 90er-Jahre hatte er die Wilhelm Theilmeier Garten- und Landschaftsbau GmbH in Everswinkel von seinem Vater übernommen, bereits seit 1970 wird in dem 1968 gegründeten Familienunternehmen ausgebildet. „Das Thema lag uns schon immer am Herzen“, sagt Theilmeier. „Wir waren immer ein klassischer Ausbildungsbetrieb: Die Azubis waren wichtig fürs Unternehmen und bekamen eine gute Ausbildung, liefen im Alltag aber einfach mit.“ Doch was über viele Jahrzehnte gut funktionierte, passte plötzlich nicht mehr. „Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren stark geändert“, sagt Theilmeier. „Inzwischen suchen sich nicht mehr die Unternehmen die Auszubildenden aus, sondern umgekehrt. Wer gute Leute haben will, muss ihnen mehr bieten als die Standardausbildung.“

Investitionen ins Thema Weiterbildung

Um dem Fachkräftemangel im eigenen Unternehmen vorzubeugen, schwenkte Theilmeier daher 2015 in Sachen Ausbildung komplett um, das gesamte Ausbildungskonzept wurde überdacht und überarbeitet. Meisterin Monique Däumichen wurde zur festen Ausbilderin ernannt, seit 2018 wird sie von Kollegin Inga Grawunder unterstützt. Inzwischen läuft bei Theilmeier vieles anders. „Unsere Azubis bekommen jetzt deutlich mehr Aufmerksamkeit und Raum, sich auszuprobieren und zu entwickeln“, sagt Grawunder. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Unter anderem gibt es heute eine eigene Übungsfläche für die Auszubildenden und einen Schulungsraum für Fortbildungen. „Wir investieren viel in die Weiterbildung unser Azubis“, sagt Grawunder. Das Unternehmen bietet regelmäßig betriebsinterne Lehrgänge, Übungsstunden und Fortbildungsveranstaltungen an. Die Auszubildenden werden zudem motiviert, auch an betriebsexternen Fortbildungen teilzunehmen. Die Kosten trägt der Betrieb, auch Mitgliedsbeiträge für Fachportale werden während der Ausbildung übernommen. Sogar die Möglichkeit, ein zweiwöchiges Auslandspraktikum zu machen, gibt es.

Azubis brauchen Verantwortung

Zehn Azubis arbeiten derzeit im Betrieb, jedes Jahr starten drei bis vier neue Auszubildende ihre Ausbildung bei Theilmeier. Sie alle bekommen schnell Verantwortung – jedes Jahr gibt es etwa ein Auszubildendenprojekt, das mithilfe der Ausbilderinnen eigenverantwortlich von den Azubis durchgeführt wird. 2020 wurde eine neue Übungsfläche mit coronakonformem Open-Air-Besprechungstisch angelegt, 2021 soll ein Mustergarten überarbeitet werden. Außerdem wurde die Ausbildung bei Theilmeier digitalisiert: Über eine Lernplattform können die Azubis jetzt eigenständig per Handy oder übers Tablet lernen. Ein zusätzlich beauftragter externer Ausbilder teilt den Azubis online Aufgaben zu, hat den Überblick, wer auf welchem Stand ist, und kommt auch für Übungsstunden ins Unternehmen. „Ohne digitale Angebote geht es heute nicht mehr. Die jungen Menschen nehmen keine Bücher mehr in die Hand. Da muss man sich als Unternehmen drauf einstellen“, betont Monique Däumichen. Das bestätigen auch die Azubis. „Mir war es wichtig, in einem Betrieb zu lernen, der mit der Zeit geht“, sagt etwa Marcel Bruns, der seit 2019 eine Ausbildung bei Theilmeier macht.

Lehrgang Theilmeier
Betriebsinterne Lehrgänge, Übungsstunden und Fortbildungsveranstaltungen sind Teil der Ausbildung, auch für externe Fortbildungen werden die Kosten übernommen. Das i-Tüpfelchen: die Möglichkeit, ein zweiwöchiges Auslandspraktikum zu absolvieren

Dahin gehen, wo die jungen Leute sind

Die ganze Mühe lohnt sich: 2020 erhielt das Unternehmen den „Ausbildungspreis der Landschaftsgärtner NRW 2020“. Das Urteil der Jury: Das Ausbildungskonzept sei innovativ, habe Hand und Fuß und vor allem auch Charakter. „Darauf sind wir stolz“, sagt Edgar Theilmeier. „Es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Die klassische Stellenanzeige hat sich für ihn indes überholt. Der Nachwuchs wird vor allem auf anderen Wegen gesucht. „Wir arbeiten eng mit den Schulen in der Region zusammen und machen dort auf unsere Ausbildung aufmerksam“, sagt Theilmeier. Auch auf Azubi-Börsen und Berufsorientierungsmessen ist das Unternehmen aktiv, hat für YouTube einen Imagefilm produziert und schaltet Bandenwerbung am Fußballplatz. „Wir gehen direkt dahin, wo die jungen Leute sind. Das funktioniert wunderbar“, sagt Theilmeier. Eine Chance bekommt jeder, der ernsthaft am Beruf interessiert ist. „Ich will kein Zeugnis sehen, das sagt ohnehin nichts aus. Nur weil einer schlecht in Deutsch war, heißt das doch nicht, dass er kein guter Landschaftsgärtner sein kann. Bei uns machen Studienabbrecher eine Ausbildung, die irgendwann mal von den Eltern zum Abitur gezwungen wurden. Jetzt sind sie endlich glücklich.“ Vor der Ausbildung muss jeder Kandidat ein ein- bis zweiwöchiges Praktikum absolvieren. „Im Bewerbungsgespräch schaue ich, wie interessiert jemand ist und ob er mitdenkt. Im Praktikum gucken wir dann, dass es auch zwischen dem Azubi und den anderen Mitarbeitenden passt – ein gutes Betriebsklima ist uns wichtig“, erklärt Theilmeier. Für neue Auszubildende wird in jedem Jahr ein Onboarding-Tag veranstaltet, an dem sie mit dem Betrieb vertraut gemacht werden. Dazu gibt es einen schriftlichen Leitfaden mit den wichtigsten betrieblichen Regeln, damit sich jeder von Anfang an gut zurechtfindet.

Azubis halten das Unternehmen jung

„Die Azubis wollen wahr- und ernst genommen werden. Das tun wir, und das fördert ihr Engagement und auch den Teamgeist“, sagt Monique Däumichen. „Das Miteinander im Unternehmen stimmt einfach. Ein Kollege ist seit 48 Jahren bei uns – wo gibt es das heute schon noch?“ Auch die Auszubildenden bleiben gern. „Wir ermuntern sie aber durchaus, auch noch mal woanders zu arbeiten. Das tut jedem gut“, sagt Edgar Theilmeier. Mit Kollegen anderer Betriebe arbeitet er gerade an einem Konzept, bei dem die Firmen untereinander Azubis tauschen. „Damit sie noch mehr Erfahrungen sammeln können.“ Die meisten kehren ohnehin zu Theilmeier zurück. „Bei uns gibt es keinen Fachkräftemangel“, sagt Edgar Theilmeier, der sich mit seinem neuen Ausbildungskonzept gut gewappnet für die Zukunft sieht. „Die Azubis bringen frischen Wind in die Firma und sorgen dafür, dass wir nicht vergreisen. So bleiben wir als Unternehmen auch für kommende Generationen interessant – da bin ich mir ganz sicher.“


Titelfoto: © Theilmeier GmbH