
Auf Azubi-Suche
Der zweite Blick auf die Bewerber
Nicht ausbildungsfähig? Von wegen! Warum es sich für Unternehmen auf Nachwuchssuche lohnt, nicht nur auf Schulnoten zu achten und genauer hinzusehen, erklärt Bildungsexperte Reinhold Weiss im Interview.

Reinhold Weiss, 63, ist seit 2005 ständiger Vertreter des Präsidenten und Leiter des Forschungsbereichs im Bundesinstitut für Berufsbildung. Im Zentrum seiner Forschungsarbeiten stehen betriebliche und berufliche Aus- und Weiterbildung.
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Assistierte Ausbildung
Nachwuchskräfte? Einfach selber sichern!
Kein Land der EU hat weniger arbeitslose junge Menschen als Deutschland. Gleichzeitig steigt der Fachkräftebedarf so stark, dass er in manchen Branchen nicht mehr zu decken sein wird. Trotzdem bleiben immer noch junge Menschen ohne Ausbildungsabschluss – auch, weil Betriebe sich scheuen, Jugendliche mit Startschwierigkeiten, etwa wegen schlechter Schulnoten, einzustellen. Hier setzt die Assistierte Ausbildung an.
Ziel ist es, mit umfassender Betreuung der jungen Menschen und Unterstützung der Ausbildungsbetriebe eine Hilfestellung zu geben, wo sie nötig ist: Assistierte Ausbildung ist eine Chance für Betriebe und Azubis, Ausbildung zu ermöglichen – gerade wenn eine Förderung mit den ausbildungsbegleitenden Hilfen nicht intensiv genug ist.
Wie sich Betrieb und Azubi finden
Die Assistierte Ausbildung richtet sich an junge Menschen, die lernbeeinträchtigt oder sozial benachteiligt sind, keine berufliche Erstausbildung haben und unter 25 Jahre alt sind. Die Begleitung und Betreuung während der Ausbildung hat die Stabilisierung des Ausbildungsverhältnisses und den erfolgreichen Berufsabschluss zum Ziel. Vorgeschaltet werden kann eine ausbildungsvorbereitende Phase, in der die jungen Menschen einen Ausbildungsplatz und die Betriebe einen Auszubildenden finden können. Methoden sind dabei Standortbestimmung, Berufsorientierung, Profiling, Bewerbungstraining und berufspraktische Erprobung.
Unterstützung für Jugendliche
Über alle Phasen hinweg wird der Jugendliche anhand eines Förderplans individuell sozialpädagogisch begleitet und betreut. Er soll mit den unterschiedlichen Lebenslagen und Anforderungen im Rahmen der Ausbildung gut zurechtkommen. Dafür werden Alltagshilfen, Krisenintervention, Konfliktbewältigung und die Förderung persönlicher, sozialer und lebenspraktischer Fertigkeiten angeboten. Während der Ausbildung erhält der Jugendliche zusätzlich Stütz- und Förderunterricht einschließlich der Vorbereitung auf die Zwischen- und Abschlussprüfung.
Unterstützung für den Betrieb
Förderungsfähig ist jeder Betrieb, der einen benachteiligten jungen Menschen ausbilden möchte oder bereits ausbildet. Betriebe können bei allen Fragen unterstützt werden, die Ausbildungsvoraussetzungen betreffen. Dazu gehören z. B. die Auswahl geeigneter Azubis, die Zulassung als Ausbildungsbetrieb, Fragen der Ausbildereignung und die Vorbereitung der Ausbildungsverträge. Darüber hinaus können die Betriebe bei der Organisation und Administration der Ausbildung unterstützt werden (bspw. Coaching der Ausbilder und zielgruppengerechte Ausbildungsmethoden). Die Rechte und Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis bleiben unberührt. Der Unterschied zu einem normalen Ausbildungsverhältnis besteht in der intensiven Unterstützung des Jugendlichen und des Ausbildungsbetriebes.
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Titelfoto: © Shotshop
Sehr geehrter Herr Weiss,
Ihre Einschätzung zum schrittweisen Umdenken im Unternehmen kann ich unterstreichen - ebenso dass Schimpfen auf Dauer niemanden weiterbringt. Welchen Ansatz unser Mitgliedsunternehmen Provadis dabei mit dem kompensatorischen Modell verfolgt, habe ich in diesem Artikel beschrieben: https://hessenchemie-blog.de/demografie/fachkraeftesicherung/neues-auswahlverfahren-fuer-azubis-provadis-eignungsdiagnostik/
Beste Grüße nach Bonn
Clemens Volkwein