
Unternehmen 50+
Der Altkluge
Jens Fahrion stellt am liebsten Bewerber über 50 ein. So wie sein Vater vor ihm. Die Älteren hatten den Familienbetrieb mit ihrer Erfahrung schon einmal vor dem Ruin gerettet.
Unternehmensnachfolge ohne Druck
Jens Fahrion steht für die leiseren Töne. Er wirkt fast schüchtern, als müsse er erst noch in die Fußstapfen des Vaters hineinwachsen – ein groß gewachsener, breitschultriger Mann im Anzug mit dem freundlichen Gesichtsausdruck seines Vaters. Eigentlich wollte er einmal Siedlungen planen und Verkehrsströme regeln, nie jedoch in einem so technischen Beruf arbeiten wie sein Vater. Deshalb studierte er Geografie, Städtebau und Abfalltechnik. Sein Vater setzte seinen Bruder und ihn nie unter Druck, wenn es um die Übernahme des Betriebs ging. „Im Gegenteil, er wirkte fast leidenschaftslos in dieser Frage“, erinnert sich Jens Fahrion. Das war vielleicht die beste Methode, um die Brüder doch zu überzeugen. 1999 stieg Jens Fahrion als Praktikant in den Betrieb ein: „Die Vorstellung reizte mich, einmal einen Betrieb zu führen.“ Auch sein Bruder, der ursprünglich Landschaftsplaner werden wollte, entschied sich um. Und dann erst merkten beide, wie sehr das ihren Vater erleichterte.
Trotzdem war der Einstieg schwer. Projektleiter, denen Jens Fahrion unterstellt war, schonten ihn nicht, wenn sie ihm etwas beibringen wollten. Das war für ihn die beste Schule, sagt er heute. „Auch wenn sich Kritik für mich immer wie ein Weltuntergang anfühlte.“ Damals glaubte er oft nicht daran, genug Autorität zu besitzen, um Geschäftsführer zu sein. „Heute hat sich das geändert, auch Kritik nehme ich nicht mehr so persönlich.“ Sein Vater berät ihn und seinen Bruder, wann immer sie Hilfe brauchen. Einen „kühlen Schatten“ nennt Jens Fahrion ihn und meint das nur positiv. Jemand, der ihm den Rücken stärkt, sich aber nicht dazwischendrängt.
Wie sich alt und jung ergänzen
Die Söhne verfolgen heute eine etwas andere Politik als ihr Vater. Otmar Fahrion arbeitet im Einzelbüro – die Söhne gemeinsam mit den anderen Angestellten im Großraum. „Dadurch entsteht ein größeres Vertrauen und wir bekommen mit, was im Betrieb gut und schlecht läuft“, sagt Jens Fahrion. „Ich glaube zudem, dass flachere Hierarchien besser für das Arbeitsklima sind.“
Heute reist Jens Fahrion anstelle seines Vaters durch Deutschland und hält Vorträge. Er sagt dann: „Ältere brauchen zwei bis drei Jahre, um selbstständig, ohne einen Mentor eine Fabrik zu planen. Ein Studienabgänger braucht zwölf bis 15 Jahre.“ Aber auch die Nachteile von älteren Kollegen verschweigt er nicht: „Wir brauchen auch immer junge Leute, die sich mit den neuen Technologien auskennen. Ein 50-jähriger Konstrukteur lernt einfach keine Computersimulation mehr.“ Er betont jedes Mal, dass sich das Einstellungsmodell der Fahrions nicht für jeden Betrieb eigne, schon gar nicht, wenn es um körperliche harte Arbeit gehe. „Aber man sollte immer überprüfen: Ergibt es nicht doch in manchen Fällen Sinn, auf so viele Jahre Expertise und ein flexibleres Lebensmodell zurückzugreifen? Einen Mitarbeiter, der die Familienplanung hinter sich hat, der längere Auslandseinsätze nicht scheut und auch nicht ständig nach neuen Herausforderungen sucht?“
Nicht jeder Satz klingt geschliffen, wenn Jens Fahrion spricht, er ist anders als der Vater, der mit markigen Sprüchen die Unternehmer provozierte. Aber Jens Fahrion überzeugt durch die leisen Töne. Er versetzt sich in die Lage der Unternehmer. Und der „kühle Schatten“ lässt ihn dabei nur besser werden.
Fragebogen
Wie bringt man alt und jung im Betrieb zusammen?
Thea Stäudel lehrt als Professorin Wirtschaftspsychologin an der Fachhochschule Harz und beschäftigt sich mit der Kommunikation im Betrieb.

Frau Stäudel, warum geraten Alt und Jung im Betrieb oft aneinander?
Stäudel: Junge Leute bringen ihre Erfahrungen aus Familie oder Schule mit, die oft nicht zur Organisationskultur des Unternehmens passen. Mit ihrem Verhalten verstoßen sie dann gegen ungeschriebene Vorschriften, die für einen älteren Mitarbeiter selbstverständlich sind. Er regt sich auf, schimpft, hat kein Verständnis.
Wie sollten Ältere mit der Jugendsprache umgehen?
Ernst nehmen statt Anbiedern. Es geht darum, Jüngeren und Älteren das Gefühl zu vermitteln, gleichermaßen wichtig zu sein. Anschnauzen hilft hier nichts, dann sind die jungen Leute innerlich mit der Verteidigung ihres Selbstwerts beschäftigt. Alle, vom Firmenchef bis zum Techniker und Meister, sollten Vorbilder sein.
Wie finden Nachwuchs und Erfahrene zusammen?
Die Älteren brauchen Trainingsmaßnahmen, um Gewohnheiten abzulegen und eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur zu ermöglichen. Hierzu gehören die Fähigkeit, Kritik in konstruktiver Weise zu äußern, Gesprächsführung, effektive Zusammenarbeit im Team und sicheres Führungsverhalten. Und bei der Auswahl von Nachwuchskräften sollte man darauf achten, dass die persönlichen Werte eines Bewerbers mit den Unternehmenswerten übereinstimmen.
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Andin Tegen
Titelfoto: © Tanja Kernweiss
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