
Unternehmer Florian Post
„Ich weiß, was ich kann, und ich will es beweisen“
Die linke Hand von Florian Post ist nur in Ansätzen ausgebildet. Das hinderte ihn nicht daran, Karriere zu machen: Post stieg vom Praktikanten zum Inhaber eines Handwerksbetriebs auf. Als er später einen Autisten einstellte, äußerten Mitarbeiter Bedenken. Er sei zu langsam, befanden sie. Doch inzwischen sind sie von ihrem Kollegen genauso beeindruckt wie Post.
Andreas Pahler kommt nach Schichtende in den Pausenraum. Der 36-Jährige hat zusammen mit Florian Post am BBW Dresden gelernt. Seine linke Hand ist ähnlich fehlentwickelt wie die von Post. Weil er jedoch keinen Daumen hat, hat er einen Grad der Behinderung von 50. Fühlt er sich dadurch eingeschränkt? „Nein, ich bin damit groß geworden“, sagt Pahler. „Wenn ich als Jugendlicher einen Unfall gehabt hätte, wäre das vermutlich schwieriger.“ Eigentlich wäre er gerne Elektriker oder Maurer geworden. Aber im Berufsvorbereitungsjahr wurde schnell klar: Ohne vollwertige linke Hand würde das nichts werden. Er hat dann beim BBW Dresden verschiedene Tätigkeiten ausprobiert und sich für einen Metallberuf entschieden. Zwei Jahre nach Post stieß Pahler zum Betrieb, heute ist er einer von zwei Schichtführern. „Er kennt sich mit jedem Werkzeug aus“, sagt Post, „und man kann sich auf ihn verlassen.“ Pahler macht auch die Qualitätskontrolle.
Immer wieder wird kritisiert, dass die freie Wirtschaft nicht genug Behinderte einstellt – oder zumindest nicht in dem Maße, wie es möglich wäre. Wie sehen Sie das?
Florian Post: Ich persönlich kenne viele Betriebe, die Mitarbeiter mit Behinderungen beschäftigen, aber es könnten mehr sein. Es muss allerdings auch passen. Ein Freund von mir ist Rollstuhlfahrer. Er arbeitet als Schichtleiter in einer Halbleiterfabrik. Ich könnte allerdings für die Werkstatt keinen Rollstuhlfahrer einstellen, das würde nicht funktionieren, weil die Wege für das Rangieren zu eng wären. Dagegen ist es bei uns unwichtig, ob jemand nur einen Arm hat oder drei Finger. Andy und ich beispielsweise, wir wissen uns zu helfen und können eine Schleifscheibe genauso einspannen wie die Kollegen. Was ich schlimm finde, ist, dass so viele Behinderte unsichtbar in Werkstätten arbeiten. Das mag für einige Menschen gut sein, allerdings spalten wir damit die Gesellschaft. Ich glaube, man könnte das anders und besser hinkriegen.
Müssten sich also noch mehr Firmen für behinderte Menschen öffnen?
Auf jeden Fall. Es kommt allerdings immer auf die Art und den Grad der Behinderung an. Die Leute müssen zum Betrieb passen.
Gibt es nach Ihrer Meinung vielleicht sogar Vorteile für Unternehmen, wenn sie behinderte Menschen beschäftigen?
Ja. Meiner Erfahrung nach sind behinderte Kollegen offener und feinfühliger im Umgang. Und mein Eindruck ist: Sie sind ehrlicher. Zumindest habe ich das so im Berufsbildungswerk erlebt. Ich denke außerdem, je mehr Menschen mit Behinderung man im Alltag wahrnimmt, desto normaler wird es für alle. Dann schaut auch keiner mehr auf meine Hand.
Was ist mit der Belegschaft? Profitiert die auch?
Sehr sogar. Meine Jungs können durch die Zusammenarbeit mit Tobias auch außerhalb der Firma ganz anders mit Menschen mit Behinderung umgehen. Und sie erzählen ihren Familien und Freunden davon und geben so ihre Erfahrungen weiter.
Wie ist das mit Ihnen? Als Geschäftsführer haben Sie ja häufig persönlichen Kontakt zu Ihren Kunden. Glauben Sie, dass man Sie aufgrund Ihrer Behinderung anders behandelt?
Nein. Meine Kunden kennen mich schon jahrelang. Für die macht es keinen Unterschied mehr, ob ich mit zwei gesunden Händen ankomme oder nicht. Anfangs wollten sie mir die Kisten noch zum Auto tragen. Als ich dann aber gesagt habe: „Vielen Dank. Ich finde das toll! Aber ich schaff’ das schon“, haben sie verstanden, dass ich es alleine will und kann. Ich sehe mich nicht als behindert, sondern als körperlich eingeschränkt. Als ich 15 oder 16 Jahre alt war, hat es mich sehr geärgert, dass ich wegen meiner Hand kein Moped fahren konnte. Immer nur hintendrauf sitzen, das fand ich wirklich blöd. Heute macht mir das nichts mehr aus. Es ist halt so.

Florian Post
Zur Person
Florian Post
In Dresden-Gohlis stellt Florian Post, 36, mit seinem Werkzeugschleifdienst WFP Sonderwerkzeuge her: Hier werden im Zweischichtbetrieb unter anderem Bohrer und Fräswerkzeuge für die Kunststoff und Metall verarbeitende Industrie gefertigt. Geboren wurde der Unternehmer 1984 in Leipzig mit einer Fehlbildung der linken Hand, deren winzige Finger ebenso wie der Daumen unmittelbar am Ballen sitzen. Nach der neunten Klasse ging Post zunächst für das Berufsvorbereitungsjahr an das SRH Berufsbildungswerk Dresden (siehe Kasten). Anschließend begann er dort eine Ausbildung zum Werkzeugmaschinenspaner und wechselte nach der Zwischenprüfung zum Zerspanungsmechaniker. Dabei lernte er nicht nur Metall zu drehen und zu fräsen, sondern auch das Programmieren von CNC-Maschinen. Beim Werkzeugschleifdienst Sisolefsky, heute WFP, absolvierte er zahlreiche Praktika. Gegen Ende seiner Ausbildung 2005 bot ihm der damalige Inhaber eine feste Stelle an. Zehn Jahre später übernahm Post als „Industriemeister Metall“ die Firma von seinem Chef, der nach knapp 25 Jahren in den Ruhestand ging. Sein Team wuchs seitdem von acht auf zwölf Mitarbeiter.
Berufsbildungswerk Dresden
Das BBW Dresden gehört zu den bundesweit gut 50 Berufsbildungswerken, die Jugendlichen mit gesundheitlichen Einschränkungen eine Erstausbildung anbieten – samt medizinischer und therapeutischer Betreuung, falls nötig. Beim BBW Dresden können die jungen Männer und Frauen zwischen 14 Berufen wählen – von kaufmännisch bis kreativ, von technisch bis IT. Wer will, absolviert zuvor noch ein Berufsvorbereitungsjahr. Derzeit besuchen rund 300 Jugendliche das BBW Dresden, etwa zwei Drittel von ihnen wohnen auf dem Campus. Die Berufsbildungswerke werden unter anderem von der Bundesagentur für Arbeit gefördert. Das gemeinsame Ziel: junge Erwachsene mit körperlichen, psychischen oder geistigen Einschränkungen für einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren.
Gunthild Kupitz
Titelfoto: © Gunthild Kupitz
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