
Employer Branding in der Praxis
Technik für das Leben
Produkte, denen man nur im Notfall begegnet, ein Standort hoch im Norden der Republik, der Markenname kaum bekannt: Im Wettkampf um gute Mitarbeiter tritt die Drägerwerk AG mit Handicap an. Grund genug für Vorstand Stefan Dräger, sich eine zugkräftige Arbeitgebermarke aufzubauen.
Was braucht es, um Bewerber anzulocken?
Schon früh – ab 2006 – setzte Stefan Dräger deshalb das Thema Employer Branding auf die Agenda. Soviel Weitsicht passt zu einem Familienunternehmen, das 2014 sein 125-jähriges Jubiläum feierte. Als Personalreferentin Sabina Ufferheide vorschlug, eine zugkräftige Arbeitgebermarke zu entwickeln, bekam sie vom Vorstand den Auftrag, sich darum ab sofort hauptamtlich zu kümmern.
„Dräger hat eine lange Tradition als Ingenieursunternehmen, Marketing für sich selbst als Arbeitgeber zu betreiben war bis vor wenigen Jahren ziemlich verpönt“, sagt Ufferheide. Sachlich, nüchtern und technisch präsentierte man seine Produkte gegenüber den Geschäftskunden. Fast genauso sachlich und bedarfsorientiert sah die Bewerberansprache aus, nach dem Motto: Wir produzieren hochwertige Technik und suchen einen berufserfahrenen Ingenieur mit folgenden Qualifikationen. „So einen emotionslosen Auftritt kann sich heute kaum noch jemand leisten“, sagt die Personalwissenschaftlerin. Gerade für die heiß begehrten „Young Professionals“ reicht es nicht, dass Dräger im TecDax notiert ist, mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz macht, Mitarbeiter im Ausland beschäftigt oder „innovative Produkte, Systeme und Dienstleistungen“ anbietet – wie früher in Job-Offerten zu lesen war.
Heute wollen Bewerber vor allem wissen, ob sie sich im Job persönlich einbringen können – und was ihnen der Einsatz persönlich einbringt: „Fast genauso wichtig wie ein attraktives Gehalt und ein sicherer Arbeitsplatz sind der Sinn und die persönliche Zufriedenheit, die der Job vermittelt“, sagt Stefan Dräger. Wer begehrenswerte Markenprodukte hergestellt oder in einer coolen, jungen Branche aktiv ist, der kann solche Fragen wesentlich leichter beantworten als ein Arbeitgeber mit einer heterogenen, erklärungsbedürftigen Produktpalette wie Dräger. „Deshalb ist Employer Branding für uns auch so wichtig.“
Authentische Kommunikation als Schlüssel
Ähnlich wie ein Markenprodukt den persönlichen Stil des Käufers unterstreicht, transportiert die Arbeitgebermarke das Gefühl, für die richtige Firma zu arbeiten. Das funktioniert nicht auf Knopfdruck: Employer Branding ist ein langfristiger, analytischer Prozess – weitaus mehr als die Produktion einer schicken Hochglanzbroschüre. „Das Arbeitgeberversprechen muss auch eingelöst werden“, sagt Dräger. Der erste Schritt sei die sorgfältige Bestandsaufnahme: Wie sehen Mitarbeiter und Bewerber das Unternehmen? Was gefällt ihnen? Warum arbeiten sie gerne hier oder bewerben sich um einen Job? Drägers Personalmanagerin hat dazu intern verschiedene Fokusgruppen befragt, außerdem konnte sie auf externe Arbeitgeberrankings zugreifen. Zusätzlich dienten anonyme Einträge von Mitarbeitern in Arbeitgeberbewertungs-Portalen wie Kununu als Quelle.
„Einen emotionslosen Auftritt kann sich heute kaum noch jemand leisten.“Sabina Ufferheide, Personalreferentin
Natürlich kommt dabei auch Negatives zur Sprache. „Die Bereitschaft, sich offen und ehrlich mit Kritik auseinanderzusetzen, ist wichtig“, so Stefan Dräger. Erst, wenn intern die Hausaufgaben gemacht sind, kann man an der positiven Außendarstellung arbeiten. Zum Glück hatte Dräger eher Probleme in der Kommunikation als in der Organisation. Im nächsten Schritt schaltete Dräger also eine Kommunikationsagentur ein, mit dem Auftrag, die Umfrageergebnisse in ein prägnantes, emotionales Arbeitgeberversprechen zu übersetzen. Mit dem Slogan „Dafür lohnt es sich zu arbeiten“ schlugen die Werber eine Brücke vom Produkt- zum Personalmarketing: Das Leitmotiv der Produktwerbung lautet seit rund drei Jahrzehnten „Technik für das Leben“.
Als Markenbotschafter nutzt Dräger keine austauschbaren Models, sondern die eigenen Mitarbeiter. In Stellenanzeigen, Kurzfilmen oder Imagebroschüren erklären sie heute in eigenen Worten, warum sie persönlich ihre Arbeit als lohnend empfinden. Bei der authentischen Umsetzung der neuen Markenstrategie wird Sabina Ufferheide inzwischen durch eine Kollegin mit Multimedia-Ausbildung unterstützt, außerdem beschäftigt sie regelmäßig Praktikanten, die nah an den jüngeren Zielgruppen sind. Und sie kann inzwischen über ein Mediabudget verfügen, um die Markenbotschaft in den passenden Online- und Printmedien zu verbreiten.
Ihr Chef trägt die Kosten mit Fassung: „Sie hat mir vorgerechnet, dass ich das Geld sowieso ausgeben muss“, sagt Stefan Dräger. Bisher zahlte er am Ende des Anwerbe-Prozesses, wenn sich Wunsch-Kandidaten nur mit Zuschlägen zum Umzug nach Lübeck bewegen ließen: „Jetzt investiere ich am Anfang und sichere mir so die bessere Auswahl“, sagt Dräger. Die Bewerberzahlen des Unternehmens haben sich seit 2009 nahezu verdoppelt. „Vor allem zählt für uns aber, dass sich ihre Qualifikationen immer weiter verbessern.“
Checklist
Die richtige Botschaft beim Employer Branding
Bekannte Firmen mit vielen Mitarbeitern haben es leichter: Oft ist ihr Employer-Branding-Budget höher als im Mittelstand. Doch am Ende entscheidet nicht das Geld, sondern die Botschaft. Wer folgende Fragen ehrlich klärt, kann bei Bewerbern punkten.
- Wer bin ich?
Bewerber wollen wissen, wofür das Unternehmen steht. Personalanzeigen sollten den Charakter möglichst authentisch widerspiegeln. Floskeln („Kunden schätzen unsere innovativen Systeme“, „Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt“) wecken kaum Emotionen. - Was kann ich Bewerbern bieten?
Ein attraktives Gehalt ist wichtig, gerade jüngere Bewerber schätzen aber persönliche Entwicklungsmöglichkeiten und Eigenverantwortung. Kleinere Unternehmen bieten oft ein breites Aufgabenspektrum und flexible Karrierepfade. - Wer passt zu uns?
Gute Noten und Ehrgeiz sind allein noch kein Erfolgsgarant. Nur wer sich im Unternehmen wohlfühlt, läuft zu Höchstleistung auf. Statements der eigenen Mitarbeiter definieren am besten, wer gut ins Team passt. Nicht jeder muss Sie mögen!
Kirstin von Elm
Titelfoto: © Jens Boldt
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