
Chance für Ex-Junkies
Bürokauffrau mit Vergangenheit
Kurz vor dem Abitur verfällt eine junge Frau den Drogen. Sie schafft den Entzug, macht eine Ausbildung und findet als Jahrgangsbeste einen festen Job.
Kampf gegen Depressionen
Die erste Zeit war sehr schlimm. Jeden Tag habe ich an Abbruch gedacht. Ich musste früh aufstehen, pünktlich zum Frühstück kommen. Dann gab es Arbeitstherapie, Sporttherapie, Gruppentherapie. Von morgens bis abends war der Tag durchgeplant. Ich hatte mit Depressionen zu kämpfen, dazu ständig diese Drogengespräche: Was hast du genommen, wie lange? Ständig denkst Du an Drogen. Auch die Beziehung zu meinem jetzigen Mann war nicht einfach. Wir waren nie allein, immer unter Beobachtung.
Nach einiger Zeit haben wir gelernt, wieder selbst einkaufen zu gehen und uns mit Essen zu versorgen. Als es uns besser ging, haben wir beschlossen, die Ausbildung in Frankfurt zu beginnen. Nachdem wir dorthin gezogen waren, hatten wir noch einmal Kontakt zu einigen Leuten aus der Therapie. Die haben uns in unserer Wohnung besucht und sind einfach nicht mehr gegangen. Am Ende ist jemand von der Therapie mit uns hingegangen und hat uns geholfen, sie rauszuschmeißen.
Wir haben geheiratet und gleich ein Kind bekommen. Da war ich im zweiten Ausbildungsjahr. Ich hatte eine schlimme Schwangerschaftsübelkeit, habe keine Antidepressiva mehr nehmen können, bin aber weiter zur Berufsschule gegangen und habe gelernt. Nach der Elternzeit habe ich meine Ausbildung beendet – regulär nach drei Jahren und mit einer Eins vor dem Komma. Auch mein Mann hat den Abschluss geschafft. Während wir bei der IHK-Prüfung waren, hat Frau Iffländer vom Trainings- und Ausbildungszentrum auf unser Baby aufgepasst.
Durch das Baby mussten wir einen geregelten Tagesablauf einhalten und schnell Verantwortung übernehmen. Ich habe dann meinen Führerschein wiederbekommen. Das war sehr wichtig für mich. Kurz nach der Ausbildung habe ich eine unbefristete Stelle gefunden. Weil ich die Beste in meinem Ausbildungsjahrgang war, habe ich von der IHK ein Weiterbildungsstipendium erhalten. Während der Arbeit habe ich die Abendschule besucht und meinen Fachwirt gemacht.
Die Vergangenheit soll geheim bleiben
Ich habe die Ausbildung und Weiterbildung viel ernster genommen als damals das Gymnasium. Ich war total motiviert, auch weil ich wusste, was passiert, wenn ich alles schleifen lasse und nicht zur Schule gehe. Auf der Arbeit habe ich meine Vergangenheit geheim gehalten. Ich dachte, den Kollegen fällt die Kinnlade runter, wenn sie das hören. Und ich hatte Angst, dass es Diskussionen gibt, wenn ich einmal längere Zeit krank wäre. Aber wegen der Lücke in meinem Lebenslauf gab es anfangs viele Fragen. Das war hart.
Wenn wir am Bahnhof vorbeikommen, halten wir schon mal Ausschau nach alten Bekannten. Meist machen wir aber einen großen Bogen darum. Wir möchten damit nicht mehr in Verbindung gebracht werden. Und ich bin froh, wenn ich nicht darüber reden muss. Ich kenne viele Drogenabhängige, die es nicht geschafft haben. Aber nicht jede Droge und jeder Junkie sind gleich. Heroin ist gemessen am körperlichen Verfall am schlimmsten. Da gibt es die wenigsten, die hinterher eine Ausbildung geschafft haben.
Aber ich kenne auch positive Beispiele. Eine Frau aus meinem Jahrgang, die heroinabhängig war, hat geheiratet, zwei Kinder bekommen und auch wieder Fuß gefasst. Mein Bruder hatte wie ich synthetische Drogen genommen. Er bekam zwischendurch einen Rückfall und war noch mal im Gefängnis. Inzwischen ist er auch clean und heiratet dieses Jahr. Er hat zwar keine Ausbildung gemacht, aber er arbeitet bei meinem Stiefvater im Betrieb.
Drogen sind für meinen Mann und mich heute überhaupt kein Thema mehr. Und darüber bin ich sehr froh.“
Interview mit Ivona Iffländer
Eine Chance für Ex-Junkies
Drogensucht wird oft mit Kriminalität, körperlichem Verfall und Unzuverlässigkeit gleichgesetzt. Das Trainings- und Ausbildungszentrum (taz) in Frankfurt unterstützt Ex-Junkies bei der Rückkehr in den Beruf, Ivona Iffländer leitet es.
Zur Person
Ivona Iffländer
Ivona Iffländer leitet das Trainings- und Ausbildungszentrum (taz) in Frankfurt. Das taz ist ein Betrieb für angepasste berufliche Qualifizierung. Es richtet sich an erwachsene Personen, die bei ihrer Ausbildung eine besondere Unterstützung benötigen. Schwerpunkt des Angebots sind reguläre Berufsausbildungen und Qualifizierungen. Außerdem werden Trainingsmaßnahmen, Schulungen und Weiterbildungen durchgeführt. Im eigenen Betrieb und bei Kooperationspartnern bietet das taz reguläre Berufsausbildungen in den folgenden Bereichen: Bürodienstleistungen, Elektro, Metallbearbeitung, Holzbearbeitung, Küche, Fahrradtechnik, Offsetdruck, Design, Hauswirtschaft, Gastronomie, Gärtnerei, Gebäudereinigung, Malerei und Informatik. Es wurde im Jahr 1982 gegründet und ist als Ausbildungsbetrieb durch die Handwerkskammer ebenso anerkannt wie durch die Industrie- und Handelskammer.
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Birga Teske
Titelfoto: © Eleonora Grasso/Stocksy
Ich finde diese aktion hervorragend. Allerdings ist es als Junkie auch dementsprechend schwer, so viel Disziplin an den Tag zu legen und einem strukturierten Alltag nachzugehen. Ich habe es damals geschafft, muss aber zugeben, dass der Kampf gegen die Sucht allgegenwärtig ist und auch bleiben wird. Jedoch wird es im laufe der Jahre mit dem gebührenden Abstand zum alten Leben immer leichter. Ich bin seit über 10 Jahren clean und habe einen guten Arbeitsplatz. Allen denen, die diesen Schritt schaffen wollen, wünsche ich dieses Durchhaltevermögen und viel Kraft.