
Ausbildungsabbrüche verhindern
Wenn Rentner Azubis helfen
Azubis, die ihre Ausbildung abbrechen wollen, bekommen Hilfe von erfahrenen Fachleuten im Ruhestand. Ein Rentner und ein Lehrling berichten über die Zusammenarbeit.
Der Ruheständler
Peter Cramer, 68, ehemaliger Ausbilder bei Daimler, Stuttgart
In meiner Zeit als Ausbilder in der Lehrlingsabteilung von Daimler habe ich viele Arten von jungen Menschen kennengelernt: die strebsamen, die vorlauten, die überforderten. Als ich Nico kennenlernte, fiel mir auf, wie verletzlich er war. Gleichzeitig war er sehr aufmerksam und angenehm im Umgang. Er beobachtete erstmal ganz genau, bevor er sich jemandem öffnete.
Durch seine Hörschwierigkeiten ist seine Aussprache und Betonung beeinträchtigt. Außenstehende würden ihn als etwas laut empfinden und langsam im sprechen. Mir fiel vor allem auf, wie genau er zuhören konnte und, dass er ein breites Wissen über die Lehrinhalte seines Metiers hatte, obwohl die Ausbildung gerade erst begonnen hatte.
Fachlich konnte ich ihm kaum helfen. Aber ich habe mich für ihn eingesetzt. Zum Beispiel habe ich mit dem Klassenlehrer besprochen, dass der ein Mikro benutzt, wenn er mit Nico spricht und Nico spezielle Kopfhörer. So ging es für beide Seiten leichter. Inhaltlich habe ich ihm lediglich ein bisschen in Mathe geholfen oder bei der Systematisierung seiner Lerntechniken und der Organisation seines Arbeitsmaterials.
Anfangs besuchte ich Nico fast alle zwei Wochen, am Ende höchstens noch einmal im Monat. Einen Auszubildenden zu betreuen ist etwas anderes, als eine Gruppe Lehrlinge im Unterricht vor sich zu haben. Ich lerne dabei niemanden so persönlich kennen. Ich weiß nichts über seine psychologischen Hintergründe. Es ist etwas anderes, wenn man sieht, wie sich zum Beispiel die Eltern sorgen, wenn es ihrem Kind nicht gut geht. So lernt man Leute ganz anders einzuschätzen.
„Als Nico sich ohne meine Hilfe bei einem Betrieb meldete und prompt einen Vertrag bekam, war ich mächtig stolz.“Peter Cramer
Als Nico seine Prüfung bestanden hatte, freute ich mich wahnsinnig für ihn. Das gab mir richtig Auftrieb. Noch größer wurde mein Stolz, als er sich wenig später bei einem Betrieb meldete, sich vorstellte und prompt einen unbefristeten Vertrag bekam. Ganz ohne meine Hilfe.
Nico will wahrscheinlich noch die Meisterschule absolvieren. Da werde ich wieder für ihn da sein, obwohl ich glaube, dass er mich nicht brauchen wird. Das Schöne ist, dass ich auf diese Weise weiterhin Ausbilder bleibe. Der Beruf, in dem ich immer gearbeitet habe, macht mir Spaß und es beflügelt mich, anderen helfen zu können.
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Initiative sucht Ehrenamtliche
Mit VerA Ausbildungsabbrüche verhindern
VerA ist eine Initiative des Senior Experten Service (SES) und steht für „Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen“. Ehrenamtliche Senior Expertinnen und Experten – erfahrene Fachleute im Ruhestand – unterstützen Auszubildende, wenn sie aus verschiedenen Gründen in der Ausbildung nicht mehr weiterkommen. Unternehmer finden für ihre Azubis VerA-Betreuer über: www.ses-bonn.de und www.vera.ses-bonn.de. Der SES sucht auch ständig ehrenamtliche Expertinnen und Experten aus allen Berufsbereichen, denn das Interesse an dieser Initiative wächst.
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Andin Tegen
Titelfoto: © Bernhard Kahrmann
Das ist ein sehr gutes Beispiel, wie man auch ältere Mitbürger/innen und ehemalige Erwerbstätige in einen Prozess einbinden kann, wenn sie es denn wünschen. Vorteil ist, dass 40 Jahre geballte Berufserfahrung hier zum Einsatz kommen. Denn wenn ältere Arbeitnehmer aus einem Betrieb wegen Altersruhe ausscheiden, dann nehmen sie auch das Wissen mit in den Ruhestand. Das schlimme ist, das Eltern oft keine Zeit für Ihre Sprösslinge haben, da sie selbst erwerbstätig sind. So ein außenstehender "Mentor" kann Wunder bewirken, da wir ja auch aus Erfahrung wissen, das die Jugendlichen weniger gern auf die Eltern hören. So gibt es Unterstützung außerhalb der Familie. Und wenn das Früchte trägt, dann ist das umso besser. Ziel erreicht! Toll.