Die Chefin packt mit an

Geschäftsführerin Jana Maiwirth ist sich für keinen Arbeitsschritt in ihrem Hotel zu schade. So entkräftet sie viele Konflikte, die sich anbahnen.


22.11.2017 - Esther Werderinghaus -3 MinutenRichtig führen

Unternehmerin Jana Maiwirth weiß, dass man als Führungskraft im Hotelgewerbe mit unterschiedlichen Charakteren zu tun hat. Konflikte entschärft sie, indem sie sich immer mal wieder auf verschiedene Arbeitsebenen begibt.

In meinen zwei Hotels arbeiten knapp 30 Mitarbeiter jeder Couleur: vom Auszubildenden über die europäischen Mitarbeiter bis hin zu den über 50-Jährigen. In der allgemeinen Hotellerie gibt es alles und vor allem: viel Fluktuation. Das versuche ich zu vermeiden, indem ich mehr Verantwortung auf den einzelnen Mitarbeiter übertrage. Jeder muss in meinem Hotel über den Tellerrand hinausblicken und reagieren, wenn noch schnell eine Bestellung organisiert werden muss, eine Reservierung eingeht oder noch ein Drink auf ein Zimmer gebracht werden soll. Weil sich die Mitarbeiter ein Stück weit entfalten und ihre eigenen Ideen mit einbringen können, habe ich vermutlich nicht so viel Fluktuation in meinem Haus.

Zitat:

„Manchmal fragen Gäste mich, ob sie mal mit der Chefin sprechen können.“

Jana Maiwirth, Geschäftsführerin „Arte Hotel Schwerin“

Es brauchte eine Weile, bis ein gutes Arbeitsklima entstehen konnte. Obwohl ich aus einer Familie voller Selbstständiger komme, fiel es mir anfangs nicht so leicht, auch mal ganz konsequent zu sein. Als ich mein erstes Hotel vor zwölf Jahren übernahm, hatte es nicht mal 30 Prozent Auslastung. Ich hatte die komplette Mannschaft behalten und habe vieles an den vorhandenen Strukturen verändert. Die Mitarbeiter waren einen ganz anderen Führungsstil gewohnt, wir mussten uns miteinander arrangieren.

Kündigung statt Aussprache

Meinen ersten großen Zoff hatte ich relativ am Anfang. Auf einer Hoteletage gab es ständig Beschwerden über Unsauberkeit. Eine Mutter putzte dort regelmäßig mit ihrer erwachsenen Tochter. Zuerst suchte ich das Gespräch mit den beiden. Ich blieb nett und sagte, man müsse mal etwas ordentlicher in den Ecken sein, und so weiter. Aber irgendwann merkte ich, dass ich nicht zu ihnen durchdringe. Die Beschwerden kamen weiterhin. Eine Woche lang bekam ich kaum ein Auge zu, weil mir klar wurde, dass ich eine andere Tonart einschlagen muss. Ich fotografierte die Problemecken und suchte erneut das Gespräch. Das ging gehörig nach hinten los: Die Tochter war derart auf Krawall gebürstet, dass sie mir die Kündigung auf den Schreibtisch pfefferte, ihre Mutter drohte mit einem Rechtsanwalt.

Ihre Überreaktion lag daran, dass sich unter den Angestellten vieles aufgestaut hatte. Sie hatten jahrelang ohne gute Führung gearbeitet. Viele Fehler konnten sich einschleichen, ohne dass sie korrigiert wurden. Wir brauchten eine Lösung.

Die Tochter meiner Reinigungskraft verließ das Haus. Im ersten Moment war das bitter, aber die Mutter blieb. Wir gaben uns noch etwas Zeit. Und da wendete sich das Blatt. Ich fing an, mit ihr die Zimmer zu putzen, und fragte, welches Muster die neue Bettwäsche haben soll, in welcher Farbe wir die Wände streichen wollen und welche neuen Teppiche sie sich vorstellen könnte. Sie war völlig verblüfft darüber, dass ich sie so intensiv in meine Überlegungen mit einband. Nach und nach entwickelte sie mehr Freude an der Arbeit und wurde sorgfältiger.

Mit Teamgeist Auslastung verdoppelt

Die neue positive Stimmung übertrug sich auch auf die anderen Mitarbeiter. All dies zahlte sich aus, und nach nun mehr als zwölf Jahren liegt die Auslastung bei konstant 60 Prozent.

Einen guten Teamgeist im Unternehmen zu entwickeln ist eine Wahnsinnsherausforderung. Im Hotelleriegewerbe gibt es immer wieder neue Konstellationen von Angestellten mit ganz unterschiedlichen, facettenreichen Charakteren. Daher ist es so wichtig, sich in allen Abteilungen regelmäßig sehen zu lassen und auch mal in der Küche oder beim Putzen mit anzupacken. Als Führungskraft und Vorbild zeigt man damit, in welche Richtung das Hotel steuern soll und dass man sich für nichts zu schade ist.

Manchmal fragen Gäste mich, ob sie mal mit der Chefin sprechen können. Für mich ist das ein Kompliment. Ich merke dann, dass ich nicht abgehoben wirke oder wie eine dominante Chefin, die steile Hierarchien pflegt. Ich bin nicht besser oder schlechter als alle anderen, und meine Mitarbeiter wissen dies. Auch meine Reinigungskraft. Sie arbeitet noch heute in meinem Hotel und weiß, was für einen Wert sie für mich hat.


Titelfoto: © Stephen Shepherd/plainpicture