Fehler machen für ein gutes Employer Branding

Im Hotel Schindlerhof in Nürnberg läuft vieles anders: Leiterin Nicole Kobjoll feiert Fehler mit ihren Mitarbeitern und hat eine Herzlichkeitsbeauftragte eingestellt.


25.12.2019 - Nadine Osterhues -5 MinutenRichtig führen

Das Hotel Schindlerhof in Nürnberg macht vieles anders: Fehler werden gefeiert und Freundlichkeit mit einem eigenen Job belohnt. Das Resultat: weniger Fluktuation bei den Mitarbeitern und positives Feedback der Gäste, wie Hotelleiterin Nicole Kobjoll berichtet.

„Zuerst hat man uns ganz schön schräg angeschaut, als wir sagten, dass wir auf die Fehler unserer Mitarbeiter anstoßen – und das noch mit Champagner! Die Idee kam uns, als wir sahen, dass viele Menschen eine unheimliche Angst davor haben, etwas falsch zu machen. Dabei ist es doch so: Niemand entdeckt neue Erdteile, wenn er sich scheut, die Küste zu verlassen. Kreatives und innovatives Potenzial kann sich doch nur entfalten, wenn man auch mal scheitert. Davor ist nicht mal die Führungsriege gefeit.

In unserem Familienbetrieb formt jeder Einzelne von uns den Charakter des Hotels. Einer der ersten Fehler ging zum Beispiel zulasten meiner Mutter. In unserem größten Tagungsraum wollte sie einen künstlichen Wasserfall zur Luftbefeuchtung integrieren. Das war super, jeder hasst doch trockene Luft in Sitzungsräumen. Die Installation hat sehr gut funktioniert, die Umsetzung allerdings nicht: Das Plätschern des Wasserfalls hat die Teilnehmer so oft animiert, zur Toilette zu gehen, dass es dem Trainer irgendwann auf die Nerven ging.

Aus Fehlern lernen

Ich versuche, meine Mitarbeiter immer wieder dazu zu motivieren, Fehler zu machen. Ich sage: Leute, ich habe so viel aus meinen Fehlern gelernt und denke darüber nach, noch mehr zu machen. Zum Beispiel habe ich in einem Bereich des Hotels ein System eingeführt, mit dem die Gäste direkt am TV-Gerät im Zimmer auschecken können. Das funktionierte. Aber so hatten die Gäste überhaupt keine Möglichkeit, sich zu verabschieden. Oft führt der ein oder andere noch ein Gespräch an der Rezeption. So fühlt es sich mehr wie zu Hause an, und wir erfahren etwas über den Gast und seine Bedürfnisse.

Zitat:

„Niemand entdeckt neue Erdteile, wenn er sich scheut, die Küste zu verlassen.“

Diese Art der Zuwendung ist ebenso wichtig bei unseren Seminartrainern. Da kennen wir jede favorisierte Lichtinszenierung im Tagungsraum und wissen auch, mit welcher Technik sie arbeiten. Wir bereiten alles vor, wie stille Helferlein. Unsere Gäste sind Kern unseres Geschäfts, und sie wollen unterschiedlich behandelt werden: Ein Unternehmensberater hat nach einem 18-Stunden-Tag keine Lust mehr auf Small Talk. Ein Gast, der sich immer wieder im Restaurant blicken lässt, vielleicht schon.

Feiern zum Ritual machen

Mit dem Auscheckprinzip habe ich damals jedenfalls beiden Seiten die Chance auf Kommunikation genommen. Ich küre bei Weitem nicht jeden Fehler. Mir geht es darum, dass Mitarbeiter Neues ausprobieren und eventuell entdecken, dass es nicht funktioniert. Es sind niemals Fehler dabei, die ein Zeichen von Dummheit oder Desinteresse sind. Bei uns hat sich dadurch Grundlegendes verändert: Es herrscht viel weniger Angst davor, Fehler zu machen. Trotzdem geschieht so eine Kulturveränderung nicht von heute auf morgen. Unsere Mitarbeiter wurden alle schon mal für Fehler ausgezeichnet, aber es war auch ein weiter Weg bis dahin. Wir mussten die Führungsstruktur grundlegend verändern. Fehler zuzulassen war das eine. Das andere war ein ständiger Prozess, der auch heute noch nicht vorbei ist.

Mit dem Auscheckprinzip habe ich damals jedenfalls beiden Seiten die Chance auf Kommunikation genommen. Ich küre bei Weitem nicht jeden Fehler. Mir geht es darum, dass Mitarbeiter Neues ausprobieren und eventuell entdecken, dass es nicht funktioniert. Es sind niemals Fehler dabei, die ein Zeichen von Dummheit oder Desinteresse sind. Bei uns hat sich dadurch Grundlegendes verändert: Es herrscht viel weniger Angst davor, Fehler zu machen. Trotzdem geschieht so eine Kulturveränderung nicht von heute auf morgen. Unsere Mitarbeiter wurden alle schon mal für Fehler ausgezeichnet, aber es war auch ein weiter Weg bis dahin. Wir mussten die Führungsstruktur grundlegend verändern. Fehler zuzulassen war das eine. Das andere war ein ständiger Prozess, der auch heute noch nicht vorbei ist.

Biergarten - Hotel Schindlerhof
© Shayne Thomas - Der Schindlerhof ist aus einem 300 Jahre alten Bauernhof entstanden.

Authentisch bleiben

Allein die Anmutung unseres Viersternehotels spiegelt unseren Wunsch nach Authentizität wider. Das Hotel ist ein Kleinod, entstanden aus einem 300 Jahre alten, verfallenen Bauernhof. Die verschiedenen Gebäude sind auf Pflastersteinwegen miteinander verbunden und strahlen eher Gutshofgemütlichkeit aus als modernen Schick. Nicht nur die Gäste sollen sich wohlfühlen, auch wir und unsere Kollegen. Feste zu feiern ist für uns ein wichtiges Ritual. Sie fördern das Zusammengehörigkeitsgefühl und bauen Hemmungen ab. Oder Transparenz zu leben: Das zeigt unseren Mitarbeitern, dass wir ihnen vertrauen. Ein Mitarbeiter, der keine Informationen erhält, kann schließlich keine Verantwortung übernehmen.

Zitat:

„Ein Mensch, der viel über das Unternehmen weiß, für das er arbeitet, kann mit seinen Ideen auch mal in Krisenzeiten weiterhelfen.“

Deshalb kommunizieren wir täglich über die Mitarbeiter-App, wie der Umsatz im Vergleich zum Zielwert steht und was wir pro Leistungsbereich noch erreichen müssen. Jeder hat zudem Einblicke in die Team- und Warenkosten. Ein Mensch, der viel über das Unternehmen weiß, für das er arbeitet, kann mit seinen Ideen auch mal in Krisenzeiten weiterhelfen. So werden Mitarbeiter zu Mitunternehmern. Unser Ziel ist es nicht, jeden Mitarbeiter ein Leben lang an uns zu binden. Sie sollen sich entfalten können. Wir helfen ihnen sogar, wenn sie ihre Selbstständigkeit planen. Sie bekommen dann alles an die Hand, um ihr eigenes Unternehmen zu führen. Sie haben uns schließlich auch geholfen.

Individuelle Aufgaben schaffen

Manchmal können wir Mitarbeiter, die uns eigentlich verlassen wollen, aber auch dazu bewegen zu bleiben. Die ehemalige Azubine Mahsa Amoudadashi merkte zum Beispiel irgendwann, dass das Hotellerie-Gewerbe ihr gar nicht liegt. Sie sagt von sich selbst, dass es ewig gedauert hat, bis sie lernte, drei Teller zu tragen oder jemanden über Wein zu beraten. Ihre Begeisterung war einfach nicht da. Doch wir merkten, dass ihr etwas anderes lag: die Kommunikation mit Gästen und Kollegen. Darin war sie unschlagbar! Als sie nach dem Ende ihrer Ausbildung kündigen wollte, um zu studieren, überlegten wir uns einen passenden Posten – und machten sie schlichtweg zur Herzlichkeitsbeauftragten.

Sie bekam einen PC und einen Schreibtisch und durfte selbst entscheiden, was ihre Aufgaben sein werden. Sie begann, ein positives Umfeld für die Gäste und Mitarbeiter zu schaffen. Dazu kommunizierte sie viel mit den Kollegen, um herauszufinden, wo es gerade nicht rundläuft. Genau an den Stellen griff sie ein. Heute organisiert sie Teambuilding-Maßnahmen und Schulungen, etwa um Auszubildenden den Kundenkontakt zu erleichtern. Für mich ist sie der Beweis dafür, dass wir, solange wir auf den Einzelnen eingehen, immer eine Lösung finden. Diese Haltung nimmt allen Seiten den Druck – und so gelingt uns eine dauerhaft gute Zusammenarbeit.“

Zur Person

Nicole Kobjoll

Die 45-Jährige leitet das Hotel Schindlerhof in Nürnberg. Das Viersternehotel wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Label „Great Place to Work 2018“. Seit 2007 zählt der Schindlerhof zu den 100 besten Arbeitgebern Europas. Faktor A berichtete bereits 2012 ausführlich über den Schindlerhof. Denn auch als Nicole Kobjoll mit 26 Jahren in das Unternehmen einstieg und später das Hotel von ihren Eltern übernahm, lief einiges auffällig unkonventionell ab.


Titelfoto: © Shayne Thomas