
Unternehmensnachfolge im Hotelgewerbe
Wenn der Nachwuchs erfolgreich anbeißt
Renate und Klaus Kobjoll haben ihr Hotel „Schindlerhof“ ohne große Reibungsverluste an ihre Tochter Nicole übergeben. Dank langfristiger Planung, klarer Verantwortlichkeiten, schlauer Strukturen – und einer Prise Manipulation.
„Ich konnte mich über die Aufgabe profilieren, musste keinem Vergleich standhalten und konnte mich den Mitarbeitern außerhalb des Fahrwassers meiner Eltern vorstellen.“ Sehr hilfreich für die Übergabe waren, da sind sich alle Kobjolls einig, die klaren Verantwortlichkeiten, die sich durch die ISO-9001-Zertifizierung ergeben: Alle Mitarbeiter arbeiten mit Hauptaufgabenlisten, die ihre Zuständigkeiten abstecken. Größere Entscheidungen fallen im erweiterten Führungskreis. „Und wenn wir einen Bereich an jemanden übertragen, hat derjenige dort das Sagen. Gar keine Diskussion“, erklärt der Seniorchef.
Kein ständiger Druck, keine Beobachtung
Absolute Transparenz bei Zahlen, Zielen und Vorgängen und das Vertrauen in die Eigenverantwortung der Belegschaft haben die Kobjolls seit jeher groß- und in ihrer Firmenvision festgeschrieben. Womöglich sind es diese Offenheit und das Vertrauen, die ihrer Tochter die Nachfolge erleichtert haben. Das zumindest glaubt auch Elke Fischer, langjähriges Mitglied der Geschäftsführung und Beauftragte für das Qualitätsmanagement: „Nicki konnte nahtlos übernehmen, ohne ständig unter Druck und Beobachtung zu stehen.“ Mittlerweile verantwortet sie fast alle Bereiche, lediglich auf die strategische Langfristplanung hat der Senior noch ein Auge. Renate Kobjoll managt die Finanzen und Steuern der Firma noch so lange, bis der zweieinhalbjährige Sohn ihrer Tochter aus dem Gröbsten raus ist.
„Wenn mein Vater etwas in seinem Bereich festlegte, hatte sich jeder danach zu richten. Ich beziehe gern Meinungen und Ideen anderer in meine Überlegungen ein.“Nicole Kobjoll
Einen Motivationsschub hat der Vater seiner Tochter vor einigen Jahren gegeben, als er ihr einen weiteren seiner Anteile übertrug, sodass sie nun 51 Prozent an der Firma hält: „Seit ich die Mehrheit halte, fühlt es sich noch mehr wie das eigene Unternehmen an. Das war für die Psyche ein wichtiger Schritt“, sagt sie. Um wichtige Zukunftsfragen zu besprechen, trifft sich die Familie weiter alle zwei Monate mit ihrem langjährigen Wirtschaftsprüfer zum Jour fixe. Nicht immer hat sich Nicole Kobjoll wohl dabei gefühlt; als etwa die Frage aufkam „Was passiert, wenn der Partner nicht passt?“. Den damals noch als Single mit den Eltern verabredeten Ehevertrag nimmt ihr Mann ihr zum Glück nicht krumm. Er ist selbst Unternehmer und weiß um die Notwendigkeit berechenbarer Verhältnisse.
Ihre eigene Handschrift erkennt Nicole Kobjoll in der Kommunikation: „Wenn mein Vater etwas in seinem Bereich festlegte, hatte sich jeder danach zu richten. Ich beziehe gern Meinungen und Ideen anderer in meine Überlegungen ein.“ Renate Kobjoll schätzt vor allem die Mischung aus Bewährtem und den Neuerungen, die ihre Tochter sukzessive einführt. „Auf manche Ideen wäre ich gar nicht gekommen.“
Es bleibt die Frage, was gewesen wäre, wenn sich die Tochter partout gegen den Schindlerhof entschieden hätte? Einen Plan B gab es immer, betonen beide Gründer. Man hätte einen Geschäftsführer aufgebaut und vielleicht später irgendwann das Unternehmen an einen der vielen Interessenten verkauft. „Aber den Gedanken daran habe ich eigentlich nie so recht an mich herangelassen“, gibt Klaus Kobjoll zu. Lieber war ihm immer die Idee vom Aufbau einer neuen Familiendynastie im Schindlerhof – obwohl er nur ein einziges Kind hat. Es scheint, dass sich sein Vertrauen in die Fähigkeiten guter Leute ausgezahlt hat.
Ulrike Heitze
Titelfoto: © Stephan Minx
Teilen Sie Ihre Meinung zum Thema und Erfahrungen aus Ihrem Unternehmen mit anderen Nutzern! Bitte beachten Sie unsere Kommentarregeln.