
Fehlerkultur
Ich war’s: wie Betriebe mit Fehlern umgehen
Sie haben einen Fehler gemacht? Ups! Zwar ist nicht der gesamte Betrieb in Gefahr, aber ein Kunde droht abzuspringen. Wie müsste das Unternehmen sein, in dem Sie sich trauen zu sagen: „Ich habe Mist gebaut!“? Es bräuchte ein vertrauensvolles Betriebsklima, in dem eine Fehlerkultur gedeiht. Doch was ist das eigentlich?

Michael Frese ist Professor für Psychologie, Innovationsforschung und Entrepreneurship an der Leuphana Universität Lüneburg.
Die Zeiten, in denen allein Vorschriften und Standards Schnitzer vermeiden halfen, sind längst vorbei. Im digitalen Wandel, zwischen Verunsicherung und Aufbruchstimmung, sind frische Konzepte für Geschäftsmodelle, Strategien, Unternehmenskultur, Mitarbeiterführung und vieles mehr gefragt. Ohne Fehler kann Neues nicht entstehen. „Wer keine Pannen erlaubt, erstickt Innovation“, sagt der Experte. Das wiederum erfordert Umdenken und Veränderung, was zunächst unbequem und anstrengend ist. Es braucht etwas, das der bislang vorherrschenden Fehlerkultur fremd ist: Vertrauen und eine neue Sichtweise, nämlich die Freude, Probleme zu lösen, anstatt nachzubeten: „Das haben wir schon immer so gemacht!“
„Ohne Fehler kann Neues nicht entstehen.“
Zentrales Element eines Fehlermanagements muss es sein, Versäumnisse erstens offenzulegen und dies zweitens frühzeitig zu tun. Statt sich aufzuregen, mit Beschimpfungen, Tobsuchtsanfällen, Sündenbocksuche oder Sozialstrafen zu reagieren, begibt man sich auf Fehlersuche, analysiert Mankos, arbeitet die Ursachen heraus und leitet Maßnahmen ein, um künftigen Missgeschicken vorzubeugen. Doch ganz gleich, ob im Gesundheitswesen, in der Baubranche oder der IT-Firma: Wer Fehlermanagement betreibt, muss zunächst den Boden dafür bereiten.
So führt man Fehlermanagement ein
In der Regel beginnt es ganz oben. Die höchste Führungsebene verdeutlicht allen Beteiligten, dass Fehler ab sofort weder verschleiert noch sanktioniert werden. „Am besten geht die Geschäftsführung mit gutem Beispiel voran und fängt an, selbstkritisch über eigenes Scheitern zu berichten“, sagt Michael Frese. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: vom gemeinsamen „Fehler-Frühstück“, bei dem berufliche Fehltritte nicht aufs Brot geschmiert, sondern lösungsorientiert diskutiert werden, über ein „goldenes Fehlerbuch“, das Lernerfolge durch Schwachstellen für alle Beschäftigen einsehbar macht, bis hin zur regelmäßigen Rückschau, die sowohl klärt, was gut gelaufen, aber auch was verbesserungswürdig ist. Michael Frese: „Dass es funktioniert, zeigen Hunderte von Beispielen, unter anderem in der Flugbranche oder in der medizinischen Industrie.“ Nicht allein Erfahrung, sondern vor allem Reflexion macht klug.
Gute Aussichten hat das Kommando „Fehler frei!“, wenn allen Beteiligten der Handlungsbedarf klar ist, sie möglichst frühzeitig eingebunden sind und beharrlich nachgesteuert wird. Ist dies der Fall, ergibt sich daraus unweigerlich eine Diskussion über Lösungsmöglichkeiten für Fehlerquellen. Entscheidend ist hierbei Konsequenz: „Weder das Vertuschen noch das Sanktionieren der Meldung von Fehlern darf hingenommen werden“, sagt Michael Frese.
Mit Rückschlägen und Widerständen ist zu rechnen. Ausrutscher zuzugeben ist nicht jedermanns Sache. Fehler sind peinlich. In unserem Kulturkreis gelten sie als Folge mangelnder Sorgfalt oder geringer Intelligenz. Fehlerkultur bedeutet, ein Klima zu schaffen, in dem Fehler, Risiken und Folgen offen thematisiert werden. Die richtige Frage lautet demnach also künftig nicht mehr: „Wie konnte das passieren?“, sondern: „Seit wann wissen Sie das?“
Gastautorin
Annette Vorpahl
Annette Vorpahl ist Autorin, Coach und Organisationsberaterin. Sie begleitet Unternehmen im kulturellen Wandel: bei der Einführung eines Fehlermanagements, einer Streitkultur, altersgerechter Führung, generationenübergreifender Teamarbeit, Entwicklung von Werten, Visionen und Leitbildern sowie beim Auf- und Ausbau von Kompetenzen im digitalen Wandel.
Geben Sie Fehler am Arbeitsplatz zu?
Wie sieht es mit der Fehlerkultur an Ihrem Arbeitsplatz aus? Können Sie offen sagen, wenn ein Fehler passiert ist? Oder versuchen Sie Patzer zu vertuschen, weil die Reaktion Ihrer Kollegen und Vorgesetzten meistens unangenehm ist?
Geben Sie Fehler am Arbeitsplatz zu?
Wie sieht es mit der Fehlerkultur an Ihrem Arbeitsplatz aus? Können Sie offen sagen, wenn ein Fehler passiert ist? Oder versuchen Sie Patzer zu vertuschen, weil die Reaktion Ihrer Kollegen und Vorgesetzten meistens unangenehm ist?
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Annette Vorpahl
Titelfoto: © fStop/GettyImages
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