
Psychische Gesundheit
Mobbing im Job
Mobbing und Bossing gehören in vielen Unternehmen zum Alltag. Dabei kann es sich keiner leisten. Eigentlich. Oft ist der Psychoterror sogar Chefsache. Was können Betroffene tun, was Kollegen und Kolleginnen sowie Führungskräfte?
Bis heute kann sie sich nicht erklären, warum es der Chef auf sie abgesehen hatte. Antipathie, Konkurrenz, Frust, Inkompetenz, falsch verstandener Ehrgeiz, Missgunst: Die Motive der Mobber sind so vielfältig wie ihre Handlungen. Hinzu kommt ein begünstigendes Klima im Unternehmen: Wenn Beschäftigte nur als Kostenfaktor behandelt werden, weshalb sollten die Kolleginnen und Kollegen untereinander sorgsam miteinander umgehen? Darüber hinaus ermöglichen den kalten Krieg am Arbeitsplatz eine fehlerhafte Arbeitsorganisation mit häufigem Personalmangel, Mitarbeitende, die ihre Fähigkeiten nicht einbringen können, ein autoritärer Führungsstil und Konflikte, die nicht offen ausgetragen werden. Eine weitere Variante ist Mobbing als Methode zum Personalabbau. Hinzu können äußere Faktoren kommen, wie eine angespannte Arbeitsmarktsituation. Ein Sündenbock ist schnell gefunden. Und rollt die Schlammlawine erst einmal, finden sich schnell Mitstreiter.
Großer Schaden für Unternehmen
Bei jeder Form von Mobbing handelt es sich um ein Totalversagen von Arbeitgeber und Kollegenschaft. Denn jeder Mobber ist nur so stark, wie es die Vorgesetzten und Mitarbeitenden zulassen und wie ernst der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht nimmt. Eigentlich kann sich kein Unternehmen Mobbing leisten. Es verursacht immense Kosten durch Fehlzeiten sowie verminderte Leistung – und für die Gesellschaft durch die Folgeerkrankungen bis hin zur dauerhaften Arbeitsunfähigkeit. Gemobbte sind häufiger krank, weniger motiviert und weniger produktiv. Verdi schätzt den jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden, den Mobbing verursacht, auf 15 bis 25 Milliarden Euro. Jahr für Jahr werden durch Mobbing leistungsfähige und arbeitswillige Menschen aus der Arbeitswelt gedrängt – bei gleichzeitig dahinscheidendem Erwerbspersonenpotenzial und trotz Fachkräftemangel.
Die Alarmglocken sollten schrillen, wenn die Fluktuation und der Krankenstand hoch sind. Von 1997 bis 2019 nahmen die Arbeitsunfähigkeitsfälle (AU-Fälle) aufgrund psychischer Erkrankungen in Deutschland unter Frauen um 186 Prozent und unter Männern um 197 Prozent zu. Das ist die auffälligste Entwicklung der letzten Jahre. Psychische Erkrankungen sind laut Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK) die drittwichtigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit. Mobbing-Opfern bleibt oft nur Versetzung oder der Verlust des Arbeitsplatzes (durch Kündigung, Dauerkrankschreibung, Frühverrentung). Und manchem droht danach der soziale Abstieg.
Stefanie P. galt dem Chef bald nur noch als problematische und unzuverlässige Angestellte. Er drohte ihr mit Abmahnung, dann Kündigung. Doch die Juristin war schneller. Sie verließ das Unternehmen nach drei Jahren Drangsal und fand schnell eine neue Stelle – im Gepäck die Erfahrungen des alten Jobs. Rückblickend sagt sie: „Problematisch war vor allem das Tabuisieren und Ignorieren des Problems von allen Seiten. Ich achte jetzt auf kleinste Anzeichen von Ungerechtigkeit in meiner Umgebung und spreche das an, auch wenn es um andere geht.“
*Name von der Redaktion geändert
Mobbing frühzeitig erkennen
Vier Phasen des Mobbings
In der Regel läuft Mobbing nach einem bestimmten Muster ab:
- Phase 1: Konflikte und einzelne Vorfälle
Am Anfang von Mobbing steht ein ungelöster oder nicht bearbeiteter Konflikt. Daraus ergeben sich zunächst erste Abneigungen, Schuldzuweisungen und vereinzelte persönliche Angriffe. - Phase 2: Beginn des Psychoterrors
Dann weiten sich die Differenzen aus. Der ungelöste Konflikt gerät in den Hintergrund, die betroffene Person wird immer häufiger zur Zielscheibe von systematischer Schikane. Das Selbstwertgefühl der gemobbten Person nimmt ab, sie wird zunehmend isoliert und ausgegrenzt. - Phase 3: Arbeitsrechtliche Sanktionen
Im nächsten Schritt eskaliert die Entwicklung. Durch die ständigen Demütigungen ist die gemobbte Person so verunsichert, dass die Arbeit darunter leidet. Der oder die Betroffene gilt zunehmend als „problematisch“, es werden arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnung, Versetzung oder Kündigung angedroht. Oft verkennt nicht nur die Unternehmensführung die Situation, sondern auch der behandelnde Arzt. - Phase 4: Ausschluss aus dem Unternehmen
Viele Mobbing-Fälle enden mit dem Verlust des Arbeitsplatzes, manchmal sogar mit dem Ausscheiden aus der Arbeitswelt. Entweder kündigen die Betroffenen selbst oder es wird ihnen gekündigt bzw. sie stimmen einem Auflösungsvertrag zu. Oft sind psychosomatische Krankheiten oder langfristige Krankschreibungen die Folge, manchmal auch eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit.
(Quelle: IG Metall, Ratgeber Mobbing)
Mobbing gezielt stoppen
Was kann ich tun?
Was Betroffene tun können
- Sich frühzeitig wehren
- Aussprache mit dem Täter, der Täterin suchen
- Ursachen des Konflikts suchen und Lösungsvorschläge machen
- Kolleginnen und Kollegen ansprechen und Verbündete suchen
- Inner- und außerbetriebliche Beratungs- und Hilfsangebote nutzen
- Personal-/Betriebsrat einschalten
- Geschäftsleitung über Vorgänge informieren
- Mobbing-Tagebuch führen: Vorfälle und alle Beteiligten in einem Tagebuch festhalten, Screenshots von Cybermobbing und E-Mails abspeichern – sowohl für eine Beratung oder Therapie als auch für rechtliche Schritte sind entsprechende Aufzeichnungen hilfreich.
- Stressabbau durch Sport und Entspannung fördern
- Auszeit nehmen
Was Betriebe tun können
- Ein Mobbing-Frühwarnsystem einführen
- Aufklärungsoffensive mit Broschüren und Veranstaltungen starten
- Schulungen für Mitarbeitende und Führungskräfte anbieten
- Mobbing-Arbeitskreise installieren, in denen unterschiedliche betriebliche Hierarchien vertreten sind
- Gesundheitszirkel einrichten
- Mobbing-Beauftragten bestellen
- Beschwerdesystem installieren
- Dienstvereinbarung zum Thema Mobbing abschließen
Was Führungskräfte tun können
- Mobbing im eigenen Verantwortungsbereich zum Thema machen
- Eindeutig Position gegen Mobbing beziehen
- Regelmäßige Aussprachen initiieren
- Ansprechperson für Beschwerden und Probleme benennen
- Schlichtungsmodell für Konflikte einführen
- Eskalationen durch frühes Eingreifen verhindern
- Defizite in der Arbeitsorganisation abbauen/klare Zuständigkeiten schaffen
- Bei eigenen Entscheidungen auf emotionale Auswirkungen bei den Betroffenen achten
- Fortbildungsangebote nutzen
- Detaillierte Hilfestellung bietet das Mobbing-Handbuch für Führungskräfte, herausgegeben vom Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (LIGA.NRW)
Beratungsstellen und Infos
Hilfe bei Mobbing
In den Beratungsstellen können sich Anrufer anonym äußern. Sie finden professionell geschulte Gesprächspartner, die die Äußerungen urteilsfrei und empathisch aufnehmen. Das Hilfsangebot kann von seelischer Unterstützung über fundierte Rechtsberatung bis hin zur Vermittlung persönlicher Bewältigungsstrategien reichen. Einen Arzt- oder Psychotherapeutenbesuch ersetzt es nicht.
Wichtige Anlaufstellen sind die Telefonseelsorge: 0800 111 0 111
oder das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000 116 016
Viele Bundesländer und Städte bieten darüber hinaus eigene Mobbing-Hotlines und Anlaufstellen an. Das Institut zur Fortbildung von Betriebsräten (ifb) hat eine Liste der Mobbing-Hotlines bundesweit zusammengestellt. Darüber hinaus bieten verdi.de und www.buendnis-gegen-cybermobbing.de hilfreiche Informationen.
Annette Vorpahl
Titelfoto: © Shutterstock/TheVisualsYouNeed
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