
Changemanagement
Veränderungsprozesse angstfrei gestalten
Unsere Arbeitswelt ist kompliziert, schnell, unsicher und unvorhersehbar geworden – VUKA eben. Das Akronym, das für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität steht, wabert seit einiger Zeit durch Führungskräfte-Meetings. Doch wie geht man mit notwendigen Veränderungen um? Ein Gespräch mit der Personalberaterin und Buchautorin Nicole Pathé über den Mut zur transparenten Kommunikation.
Haben ältere Mitarbeiter grundsätzlich mehr oder größere Ängste vor diesen Anpassungen als ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen?
Nicht unbedingt. Sicher spielt die eigene Persönlichkeit dabei eine Rolle. Aber auch welche Erfahrung er oder sie bereits mit solchen Prozessen in der Vergangenheit gemacht hat. Und wie stark jemand von Veränderungen in der Zukunft betroffen sein wird.
Wie lässt sich eigentlich eine positive Haltung gegenüber solchen Prozessen einnehmen? Kann man das trainieren?
Ja, das kann man. Meiner Ansicht nach gehört es heute auch unbedingt zu den Aufgaben von Unternehmen, ihre Mitarbeiter darin zu bestärken, eine Veränderungskompetenz zu entwickeln. Denn wenn Veränderungsprozesse in Unternehmen scheitern, dann scheitern sie in den seltensten Fällen am „Was“.
Sondern?
An Emotionen. Die neue Organisation nach einer Restrukturierung verstehen die Menschen schnell. Aber sie gehen den Prozess häufig nicht mit. So sind dann zwei, die neuerdings eine Doppelspitze bilden sollen, nicht selten damit beschäftigt, ihr Revier abzugrenzen, statt sich auf ihre Aufgaben zu konzentrieren, und Mitarbeiter, die den neuen ganzheitlichen Beratungsansatz der Kunden nicht akzeptieren, machen alles wie zuvor – und die Unternehmensspitze wundert sich, warum die eigentlich klug erdachte Restrukturierung nicht den gewünschten Erfolg bringt.
Was läuft dann schief?
Ich halte es für ganz wichtig, in der Phase der Vorahnung und Gerüchte sämtliche Rituale, die sich in einem Unternehmen etabliert haben, aufrechtzuerhalten. Also beispielsweise die alle zwei Monate stattfindende Führungskräftekonferenz auch weiterhin abzuhalten, auch wenn die Geschäftsführung meint, noch nichts sagen zu können. Denn nach jedem abgesagten Meeting wird die Unsicherheit innerhalb der Belegschaft größer. Es ist immer besser, sich hinzustellen und zu sagen: „Diese Fragen können im Moment noch nicht beantwortet werden“ oder: „Die Entscheidungen müssen noch durch dieses oder jenes Gremium.“ Jedes Ausweichen von Kommunikation nimmt den Menschen die Chance, Veränderungen mitzugehen. Ebenso fatal ist es, zu lügen. Denn wenn die Mitarbeiter spüren, dass bewusst die Unwahrheit gesagt wird, verlieren sie das Vertrauen. Aber wie soll ein Veränderungsprozess gelingen, wenn ihnen beispielsweise vor einem Umzug gesagt wird, dass es keine Kündigungen geben wird – obwohl allen klar ist, dass es in der neuen Firmenzentrale weniger Arbeitsplätze geben wird als in der alten?
Klappt die Kommunikation in kleinen Unternehmen womöglich besser als in großen?
Nein. Entscheidend ist, ob die Unternehmensleitung die Kompetenz besitzt, die Mitarbeiter durch einen Change-Prozess zu steuern. Die Fehler, die dabei passieren können, sind ähnlich – egal, ob es sich um ein Start-up mit fünf Angestellten handelt oder um einen Konzern. Führen ist allerdings keine Einbahnstraße. Manchmal trifft ein leitender Angestellter oder Unternehmer auf Mitarbeiter, die die Tendenz haben, Dinge schlechtzureden und als Meinungsbildner ein Team nach unten zu ziehen. Dann wird es schwer; schließlich funktioniert ein Veränderungsprozess nur gemeinsam. Aber natürlich hat die entscheidende Rolle in diesem Prozess immer die Führungskraft, nicht der Mitarbeiter. Sie hat die Rolle der kompetenten Übersetzerin: Sie muss die Informationen aus der Geschäftsführung weitergeben. Und es ist ihre Aufgabe, in einem Gespräch herauszufinden, was die Gründe für die ablehnende Haltung des Mitarbeiters sind und was sie tun kann, um dem Mitarbeiter zu einer positiven Sichtweise zu verhelfen.
Und wenn das nicht gelingt?
Muss sie die Reißleine ziehen und sich trennen.
Lässt sich die Veränderungskompetenz der Mitarbeiter noch durch etwas anderes stärken außer durch eine transparente Kommunikation und fähige Führungskräfte?
Für ganz entscheidend halte ich es, die Erfahrungen aus vergangenen Change-Prozessen gemeinsam mit den Mitarbeitern auszuwerten: Was ist gut gelaufen, was nicht? Was war vielleicht sogar kontraproduktiv? Und was können wir beim nächsten Mal besser machen? Denn die nächste Veränderung wird kommen.
Zur Person
Nicole Pathé
Mit ihrer Firma pingcom Personalentwicklung in Königswinter bei Bonn berät und begleitet Nicole Pathé als Trainerin und Coach Unternehmen und Menschen in Veränderungsprozessen, unter anderem Groß- und regionale Banken sowie mittelständische Betriebe. Ihre Erfahrungen aus mehr als 20 Jahren Personal- und Führungskräfte-Entwicklung hat sie in zwei Büchern zusammengefasst. 2017 erschien „Feigling oder Führungskraft? Wie Sie mit Klarheit und Courage Menschen gewinnen“, im September 2019 folgte „Vom Mitarbeiter zum Mitgestalter. Wie Sie sich mit Klarheit und Courage in unserer Arbeitswelt behaupten“.
Antonia Kemper
Titelfoto: © Baona/iStock