Stoppt das Hamsterrad!

Ein gutes Zeitmanagement hilft, Herr über die eigene Zeit zu werden.


11.11.2011 - Redaktion Faktor-A -6 MinutenRichtig führen

Unternehmer müssen täglich ein Dutzend Bälle in der Luft halten. Die Kundschaft, Auftraggeber und die Belegschaft – alle wollen gleichzeitig bedient werden. Ein gutes Zeitmanagement kann helfen, Herr über die eigene Zeit zu werden.

Morgens um 8 Uhr – eigentlich müsste der Körper frisch und der Geist wach sein. Angesichts des anstehenden Arbeitspensums fühlt sich der Bauunternehmer Heiner Kemp aber schon jetzt erschöpft: Ein Mitarbeiter will dringend Probleme auf der Baustelle durchsprechen, ein neuer Kunde hat sich für 11 Uhr angekündigt und erwartet einen Kostenvoranschlag, der abendliche Termin mit der Steuerberaterin muss ebenso vorbereitet werden wie der Vortrag vor den Innungskollegen in zwei Tagen. Für Unternehmer, insbesondere solche von kleinen und mittleren Betrieben, in denen die Chefin oder der Chef täglich selbst an vorderster Kundenfront steht, kann der Tag oft nicht lang genug sein.

Insofern steht das Beispiel stellvertretend für unzählige Kleinunternehmer. Egal ob Friseurmeisterin, Blumenhändler oder selbständiger Architekt: Laut einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kennen die meisten Selbständigen eine 40-Stunden-Woche nur vom Hörensagen. Stattdessen arbeitet ein gutes Drittel zwischen 40 und 48 Stunden, mehr als ein Viertel stehen bis zu 60 Stunden pro Woche im Geschäft, fast jeder Dritte sogar noch länger. Und wer Beschäftigte hat, verbringt noch mehr Zeit in der Firma. Die große Mehrheit leidet, so die Umfrage, unter dem Termin- und Leistungsdruck, unter der Vielzahl an Arbeiten, die gleichzeitig zu betreuen sind, und an ständigen Unterbrechungen.

Um das Gefühl eines Hamsterrad-Daseins zu entkräften und einer gewissen Ohnmacht entgegenzuwirken, kann ein besseres Zeitmanagement hilfreich sein.

Warum Zeitmanagement individuell sein muss

Die Palette an Ratgebern für eine effiziente Nutzung des Tages ist reichhaltig. Es ist gut, sich die gängigsten Handlungsempfehlungen anzuschauen, sagen Fachleute. Gleichzeitig raten sie aber davon ab, sich überstürzt an die 1:1-Umsetzung zu machen. Denn: Nicht jeder Rat passt. „Menschen und Berufe sind unterschiedlich, sodass eine Empfehlung allein nicht helfen kann. Wandeln Sie die Standardtipps so ab, dass sie in Ihr Unternehmen passen – und vor allem so, dass sie sich gut anfühlen“, rät Burkhard Krupa, Zeitmanagementtrainer in Berlin.

Zitat:

„Wer sich am Ende eines Tages sagen kann: ‚Mensch, heute habe ich bewusst entschieden, mich nicht vom Telefonklingeln unterbrechen zu lassen‘, hat doch schon ein Stück Freiraum gewonnen.“
Alexander Pauly, Zeitmanagement-Trainer

Sinnvoll für ein passgenaues Zeitmanagement ist deshalb, zunächst mit einer Bestandsaufnahme des eigenen Berufsalltags zu beginnen. Über mindestens eine Arbeitswoche in Zehn- bis 15-Minuten-Schritten Tagebuch führen: Wofür wird die Zeit verwendet? Sind es vorab eingeplante Aufgaben? Oder spontane, selbst beschlossene? Oder solche, die plötzlich von außen herangetragen werden? Die Auflistung ist aufwendig, hilft aber festzustellen, ob und wo überhaupt Bedarf an Veränderung besteht.

 Ebenso wichtig: sich die eigene Arbeitsweise bewusst zu machen. Von Geburt an ist in uns festgelegt, wie wir an Dinge herangehen. Die einen gehen eher strukturiert-analytisch vor, die anderen intuitiv-flexibel. Erstere arbeiten linear, können gut mit Zahlen, Fakten und Ordnung. Letztere agieren kreativer, unstrukturierter, sprunghafter und spontaner. „Viele machen den Fehler, ihre Instrumente nicht nach dem eigenen Arbeitsmodus auszuwählen“, sagt Alexander Pauly, Zeitmanagement-Trainer und Buchautor („Crashkurs Zeitmanagement“). „Strukturiert-analytische Menschen können sich beispielsweise mit Excel-To-do-Listen und Outlook-Kalendern gut organisieren. Intuitive macht so etwas eher unglücklich.“ Es ist also sinnvoll, diese Besonderheiten beim Aufstellen der eigenen Agenda zu beachten.

Checkliste: Zeitmanagement-Training

1. Definieren Sie Ihre Mission!

„Ein Selbständiger muss viele Rollen ausfüllen: Er ist Fachmann für ein Thema, Manager über seinen Laden und als Unternehmer für eine langfristige Strategie zuständig. All diesen Aufgaben gleich gut gerecht zu werden, ist kaum möglich. Deshalb muss man sich fragen, was einem wichtig ist“, fordert Burkhard Krupa. Will ich meine Klientel glücklich machen? Die zuverlässigsten Produkte der Welt bauen? Reich und berühmt werden oder eine ruhige Kugel schieben und Zeit für Privates haben? Wo will ich in drei oder fünf Jahren stehen? Aus diesen persönlichen Visionen lassen sich Unterziele für die nähere Zukunft ableiten. Wer dabei etwa feststellt, dass er seine Tage ausschließlich mit Dingen verbringt, die nicht auf seine Vision einzahlen, muss seine Aufgaben neu justieren.

2. Setzen Sie sich Ziele für die Woche!

Im Gegensatz zu den Aufgaben auf der Tagesagenda, die in der Regel dringend sind, sollten die Wochenziele wichtigkeitsgetrieben sein, rät Alexander Pauly: „Nehmen Sie sich zwei, drei Dinge vor, die Sie unternehmerisch weiterbringen. Denn wenn Sie sich immer allein auf Dringendes konzentrieren, haben Sie stets nur die nächste Aufgabe vor Augen und verlieren Ihre Ziele aus dem Blick.“

3. Planen Sie Ihren Tag!

Die Daumenregel für ein sinnvolles Pensum lautet 60:40. Für 60 Prozent des Tages sehen Sie feste Aufgaben vor, 40 Prozent bleiben frei für Unvorhergesehenes. Diese Gewichtung kann je nach Unternehmen auch anders ausfallen. Wer etwa stark vom Kundenverkehr abhängt oder gerne flexibel arbeitet, wird weniger Zeit fest verplanen.

Telefonhörer hängt in Goldfischglas, Goldfisch schwimmt im Wasser
© Sarah Egbert Eiersholt

4. Setzen Sie Prioritäten!

Nicht selten verlieren wir uns in völlig belanglosen Aufgaben, die gerade unseren Weg kreuzen. Das so genannte Eisenhower-Prinzip bewertet Aufgaben nach ihrer Wichtigkeit und Dringlichkeit und leitet daraus ab, in welcher Reihenfolge die Jobs angegangen werden sollten.

5. Schreiben Sie Aufgaben auf!

Eine To-do-Liste, die man abarbeitet, gibt dem Tag Struktur und bewahrt einen davor, Aufgaben zu vergessen oder sich zu verzetteln. Wer sich von Listen gegängelt fühlt, probiert es mit Haftnotizen.

6. Folgen Sie Ihrem Biorhythmus!

Die meisten Menschen haben ihre produktivsten Phasen am Vormittag und am späten Nachmittag. Sinnvollerweise legt man sich die Aufgaben, die viel Konzentration oder Kreativität benötigen, in diesen Zeitraum und verlegt Unwichtiges auf die Mittagszeit.

7. Schaffen Sie sich Zeitinseln!

Störungen sind Gift für komplexe oder kreative Projekte. Schon eine kurze Unterbrechung bewirkt, dass wir anschließend mehrere Minuten benötigen, um uns wieder ins Thema reinzudenken. Darunter leiden Qualität und Effizienz. Definieren Sie deshalb Zeiten, in denen Sie abtauchen und nicht erreichbar sind. „Die meisten Selbständigen glauben, sie müssten ständig für alle da sein“, stellt Burkhard Krupa fest, „aber das müssen sie nicht. Mit einer freundlichen Ansage auf dem Anrufbeantworter lässt sich vieles regeln. Auch Mitarbeiter lassen sich auf die neuen Zeitfenster ein.“ Für traditionell störungsintensive Phasen sollte man einfache Aufgaben vorsehen. Als effizient hat sich auch erwiesen, Aufgaben zu clustern: Telefonate zum Beispiel nicht über den Tag verteilen, sondern nach Möglichkeit einmal en bloc erledigen.

8. Delegieren Sie!

Viele Unternehmerinnen und Unternehmer sind getrieben von der Idee „Ich muss alles selbst machen und entscheiden“. Mit zunehmender Größe wird das Auslagern von Aufgaben aber immer nötiger. Vorrangig geeignet ist alles, was nicht unmittelbar zu den Zielen und Aufgaben gehört, die Sie sich für Ihre Unternehmerschaft gesetzt haben.

9. Sagen Sie „Nein!“

Messen Sie Aufträge, Kundinnen und Kunden und Sonderwünsche an Ihren Zielen und Ihrer Vision. Was nicht passt, lehnen Sie ab, auch wenn Ihnen die Anfrage schmeichelt.

10. Seien Sie gnädig mit sich.

Zeitmanagement ist ein Prozess. Ein Ratgeber-Buch oder ein Seminar kann noch so gut sein, die Umsetzung muss einfach geübt werden. „Wer sich am Ende eines Tages sagen kann, ‚Mensch, heute habe ich bewusst entschieden, mich nicht vom Telefonklingeln unterbrechen zu lassen’, hat doch schon ein Stück Freiraum gewonnen“, sagt Alexander Pauly.

Zeitmanagement

Aufgaben klassifizieren nach dem Eisenhower-Prinzip

Aufgabentyp A ist wichtig und dringend.
Diese Aufgaben sofort und selbst erledigen. Zeit dafür nehmen und sorgfältig angehen.

Aufgabentyp B ist wichtig, aber nicht dringend.
Kontrolliert und ernsthaft terminieren und dann mit Sorgfalt erledigen. B-Aufgaben sind meist strategische, kreative oder konzeptionelle Vorgänge. Manchmal lassen sie sich an kompetente Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter delegieren.

Aufgabentyp C ist dringend, aber nicht wichtig.
Delegieren an Mitarbeitende oder schnell selbst erledigen. C-Aufgaben dominieren gerne den Tagesablauf und werden meist von außen aufgedrängt. Obwohl sie unwichtig sind, investiert man oft mehr Zeit als nötig und sinnvoll.

Aufgabentyp P ist weder wichtig noch dringend.
Mutig in die „Ablage P“, den Papierkorb, werfen.


Titelfoto: © Sarah Egbert Eiersholt