
Fehlerkultur
„Zu guter Führung gehört Selbstkritik“
Irren ist menschlich – es passiert aber am besten immer den anderen. Der Wirtschaftspsychologe Heinrich Wottawa hält genau diese Haltung von Führungskräften für einen Fehler. „Reifen Sie am Scheitern“, rät er Chefinnen und Chefs. Leichter gesagt als getan?
Ich bin an einem neuen Konzept gescheitert, durch das einige Mitarbeiter ihren Job verloren haben. Schwamm drüber?
Nein, wenn ein Führungsfehler sich zum Beispiel mehrfach wiederholt und auf Inkompetenz fußt, wäre es schlauer, seine Fähigkeiten zu steigern oder sich einen anderen Job zu suchen. Selbstreflexion und Selbstkritik gehören zu guter Führung.
Ist es in Unternehmen salonfähiger geworden, etwas gegen die Wand zu fahren?
Ich denke ja, aber noch längst nicht in ausreichendem Maße. Das Reden über das Scheitern hat sich geändert, etwa das Bekenntnis zur Suche nach Lösungen und nicht vor allem nach Schuldigen.
Was sind die größten Hürden?
Leider liegen die größten Hürden in der Unternehmenskultur, wenn das Credo lautet: „Wir sind immer ganz toll!“ Dann werden Schuldige gesucht, wenn etwas schiefläuft, und das sind gleichzeitig die Versager. In meiner Zeit als Berater habe ich viele Menschen in unterer Führungsebene kennengelernt, die in ihrer Aufstiegsphase gute Konzepte für eine bessere Kultur des Scheiterns hatten. Irgendwann haben viele davon sich aber auch an die informellen Spielregeln angepasst. Sie wurden mürbe gemacht.
In den USA heißt es „learn to fail“ – warum tut man sich hierzulande so schwer damit?
Hier geht es um Fehlerkultur – das ist etwas anderes, aber nicht weniger wichtig. Ich glaube, dass eine mangelnde Fehlerkultur historisch bedingt ist. Preußen war ein hierarchisches Staatsgebilde, das von einer rechtsstaatlichen Verwaltung und einem straff organisierten Heer „top-down“ geprägt war. In solchen Systemen bedeutet „Fehler“, dass man Vorschriften oder Befehle nicht oder falsch anwendet bzw. befolgt. Ein „learn to fail“ würde in einem solchen System heißen, dass man lernt, ohne persönliche Nachteile oder sogar mit Vorteilen davonzukommen, wenn man z. B. ein Gesetz bewusst missachtet. Das darf keine Verwaltung dulden, wenn wir einen Rechtsstaat haben wollen. In der Wirtschaft meint man mit „Fehlerfreundlichkeit“ ja auch nicht, dass man akzeptiert, dass Mitarbeiter bewusst oder aus Inkompetenz etwas falsch machen, sondern dass man kalkulierte Risiken eingeht, um Erfolge zu erzielen, etwa bei Personal- oder Investitionsentscheidungen. War die Chance für Erfolg vorher 80:20, sind nachträglich 20 Prozent der Entscheidungen „falsch“ gewesen, aber das muss man riskieren, wenn man Erfolge haben will. Und natürlich ist es notwendig, als Organisation und als Einzelner mit solchen „Fehlern“ vernünftig umzugehen.
Wie sieht also ein gesunder Umgang mit dem Scheitern aus?
Dafür gibt es keine Patentrezepte. Nur so viel: Wer an etwas scheitert, kann sehr unter Stress geraten. Starke emotionale Anspannung macht einen bei Routineaufgaben vielleicht schneller, bei komplexen Aufgaben finden wir aber schlechter Lösungen. Jetzt also bloß nicht hektisch Entscheidungen treffen! Regeln Sie den Stresspegel erst mal herunter. Dafür braucht jeder unterschiedlich lange. Nehmen Sie sich eine kurze Auszeit, wenn es geht. Fahren Sie auf eine Berghütte. Wichtig ist es, sich mit der Frage zu beschäftigen: Was will ich eigentlich?
Zur Person
Heinrich Wottawa

Prof. Dr. Heinrich Wottawa, 70, hat lange als Wirtschaftspsychologe an der Ruhr-Universität Bochum gelehrt. Bis vor Kurzem war er geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens ELIGO, bei dem er unter anderem Führungskräfte beraten und Changeprozesse begleitet hat.
Geben Sie Fehler am Arbeitsplatz zu?
Wie sieht es mit der Fehlerkultur an Ihrem Arbeitsplatz aus? Können Sie offen sagen, wenn ein Fehler passiert ist? Oder versuchen Sie Patzer zu vertuschen, weil die Reaktion Ihrer Kollegen und Vorgesetzten meistens unangenehm ist?
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Nadine Osterhues
Titelfoto: © ZHPH Production/Stocksy
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